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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Radiowellen Ihnen sagen würden, welchen Arm Sie bewegen und welches Bein Sie heben sollen. Ich wünschte, ich könnte lange genug leben, um das mit eigenen Augen zu sehen. Aber ich werde mich nun in die Flammengrube stürzen. Möchten Sie mir Lebewohl sagen? Dann kommen Sie doch näher und umfassen Sie zum Gruß mein Handgelenk. Nehmen Sie noch eine ordentliche Dosis von mir mit. Es wird die letzte sein. Ich befreie Sie danach vom Ekel meiner Person.“ Muller zitterte. Auf seinem Gesicht rann der Schweiß in Strömen. Seine Oberlippe zuckte.
    „Kommen Sie wenigstens mit mir in Zone F“, sagte Boardman. „Wir wollen uns dort in Ruhe zusammensetzen und bei einem Glas Brandy die ganze Sache besprechen.“
    „Nebeneinander an einem Tisch?“ Muller lachte auf. „Sie würden sich sofort übergeben. Sie könnten es nicht ertragen.“
    „Ich will mit Ihnen reden.“
    „Ich nicht“, sagte Muller. Er trat schleppend einen Schritt nach Nordwesten vor. Seine große, kräftige Gestalt schien zusammengesunken und verbraucht zu sein. Nichts als straff gespannte Sehnen über einem nachgebenden Gerüst. Er machte noch einen Schritt. Boardman ließ ihn nicht aus den Augen. Ottavio und Davis standen zu seiner Linken. Reynolds und Greenfield auf der anderen Seite, zwischen Muller und der Flammengrube. Ned Rawlins stand allein abseits von den anderen, wirkte wie der letzte Fahrgast an einem vergessenen Bahnhof.
    Boardman spürte ein Pochen im Kehlkopf, ein Prickeln und Spannen in den Lenden. Großer Überdruß machte sich in ihm breit und gleichzeitig eine brennende, bohrende Erregung, wie er sie seit seiner Jugend nicht mehr erlebt hatte. Er ließ zu, daß Muller einen dritten Schritt auf den Ort seiner Selbstvernichtung zu machte. Dann schnipste Boardman nur einmal kurz und lässig mit zwei Fingern.
    Greenfield und Reynolds sprangen los.
    Wie Raubkatzen jagten sie, die die ganze Zeit auf diesen Moment gewartet hatten, los und packten Muller an den Unterarmen. Boardman sah, wie ihre Gesichter grau anliefen, als Mullers Ausstrahlung sie traf. Muller wand sich, kämpfte, versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien. Mittlerweile waren Davis und Ottavio zu Hilfe gekommen. In der hereinbrechenden Nacht wirkten sie wie eine Laokoongruppe: Muller wurde halb von den kleineren Männern verdeckt, die sich um ihn wanden und ihn umschlossen, um seinen gespannten, kämpfenden Körper zu bändigen. Mit einem Betäubungsgewehr wäre es leichter gegangen, überlegte Boardman. Aber solche Waffen waren nicht frei von Tücken, besonders, wenn man sie gegen Menschen einsetzte. Herzversagen konnte die Folge sein. Leider hatten sie keinen Defibrillator dabei.
    Einen Moment später war Muller auf die Knie gezwungen.
    „Entwaffnet ihn“, sagte Boardman.
    Während Ottavio und Davis ihn festhielten, wurde er von Reynolds und Greenfield untersucht. Aus einer Tasche zog Greenfield die tödliche kleine Kugel mit dem Fenster. „Das scheint alles zu sein, was er bei sich hat“, erklärte Greenfield.
    „Sucht lieber genauer.“
    Sie klopften ihn von oben bis unten ab. Muller rührte sich nicht einen Millimeter. Sein Gesicht schien festgefroren, die Augen waren starr geradeaus gerichtet. Seine Haltung und sein Gesichtsausdruck erinnerten an den eines Mannes, der vor dem Schafott kniet. Nach einer Weile sah Greenfield wieder auf. „Nichts“, sagte er.
    „In einem meiner linken, oberen Backenzähne ist eine mit Gift angefüllte Hohlkammer angebracht. Ich zähle bis zehn und beiße dann darauf. Danach könnt Ihr zusehen, wie ich vor euren Augen krepiere.“
    Greenfield fuhr herum und wollte Mullers Unterkiefer festhalten. „Laßt ihn los“, sagte Boardman. „Er macht nur Spaß.“
    „Aber woher sollen wir wissen …“, entfuhr es Greenfield.
    „Laßt ihn los. Tretet einen Schritt zurück.“ Boardman gab ihnen ein entsprechendes Zeichen. „Geht auf fünf Meter Distanz. Kommt ihm nicht näher, solange er sich nicht bewegt.“
    Sie kamen seiner Anordnung nach; offensichtlich dankbar, der vollen Wirkung seiner Ausstrahlung zu entkommen. Boardman, der fünfzehn Meter von ihm entfernt stand, spürte die Ausläufer des Leids. Er hütete sich, näher heranzutreten.
    „Sie können jetzt aufstehen“, sagte Boardman. „Aber versuchen Sie bitte keine Tricks. Ich bedaure das hier sehr, Dick.“
    Muller erhob sich. Sein Gesicht war dunkel vor Haß. Aber er sagte kein Wort und rührte sich danach auch nicht.
    „Wenn uns keine andere Wahl bleibt“, sagte

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