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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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würde schreiend vor mir davonlaufen, wenn ich ihm zu nahe käme.“
    „Na und? Dafür könnte er doch nichts! Aber sie sind dein Volk!“
    „Und ich gehöre zu ihnen. Aber das schienen sie vergessen zu haben, als sie mich davonjagten.“
    „Du führst dich auf wie ein ungezogenes Kind.“
    „Nein, das tue ich nicht. Andererseits habe ich auch gar nicht vor, artig zu sein. Angenommen, ich könnte das Schicksal der Menschheit auch nur geringfügig ändern, wenn ich als Botschafter zu diesen Radiowesen ginge – und ich bin ganz und gar nicht überzeugt davon-, dann würde es mir höchste Genugtuung bereiten, meine Aufgabe zu vermasseln. Ich bin dir sehr dankbar für deine Warnung. Jetzt, da ich genau weiß, was hier gespielt wird, habe ich die Entschuldigung, nach der ich so lange gesucht habe. Ich entziehe mich meiner Pflicht. Ich kenne hier weit über tausend Stellen, wo einem ein rascher und wahrscheinlich auch weitgehend schmerzfreier Tod beschert wird. Danach kann Charles Boardman sich höchstpersönlich zu den Fremden bemühen und ihnen was vormachen. Ich jedenfalls …“
    „Bitte bleib stehen, Dick“, rief Charles Boardman etwa dreißig Meter hinter ihm.

 
Zwölf
     
     
     
    Boardman fand die ganze Sache höchst ärgerlich. Aber sie ließ sich nicht vermeiden, und irgendwie überraschte es ihn nicht, daß die Ereignisse einen solchen Verlauf genommen hatten. In seiner ursprünglichen Analyse hatte er zwei Entwicklungen von gleichwertiger Wahrscheinlichkeit vorausgesehen:
    1) Rawlins würde es gelingen, Muller aus dem Labyrinth zu locken.
    2) Rawlins würde plötzlich nicht mehr mitspielen und Muller die Wahrheit sagen.
    Boardman hatte sich auf beide Fälle vorbereitet.
    Nun hatte Boardman sich aus Zone F auf den Weg gemacht und war ins Zentrum des Labyrinths vorgestoßen, bevor Rawlins einen nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichtete. Er rechnete mit einer der wahrscheinlichen Reaktionen Mullers: Selbstmord. Muller würde sich nie aus reiner Verzweiflung das Leben nehmen, aber aus Rache wäre es ihm zuzutrauen. Boardman erschien in Begleitung von Ottavio, Davis, Reynolds und Greenfield. Hosteen und die anderen sahen auf den Bildschirmen in den Außenzonen zu. Alle waren bewaffnet.
    Muller fuhr herum. Der Ausdruck in seinem Gesicht war nicht leicht zu ertragen.
    „Tut mir leid, Dick“, sagte Boardman, „aber wir konnten nicht anders handeln.“
    „Sie besitzen überhaupt kein Schamgefühl, was“, sagte Muller.
    „Nicht, wenn es um die Erde geht.“
    „Das ist mir schon vor langer Zeit klargeworden. Aber ich dachte eigentlich, Sie würden zur menschlichen Rasse gehören, Charles. Ich habe bis jetzt nicht gewußt, wie tief die Abgründe in Ihnen sind.“
    „Ich wünschte auch, wir brauchten das alles nicht zu tun, Dick. Aber leider bleibt uns keine andere Wahl. Kommen Sie mit uns.“
    „Nein.“
    „Sie können sich nicht weigern. Der Junge hat Ihnen erzählt, was auf dem Spiel steht. Wir schulden Ihnen bereits mehr, als wir jemals zurückzahlen können, Dick. Aber treiben Sie unsere Schuld doch noch etwas höher. Bitte.“
    „Ich werde Lemnos nicht verlassen. Ich fühle mich der Menschheit in keinster Weise verpflichtet. Und Ihre Arbeit will ich erst recht nicht tun.“
    „Dick …“
    „Fünfzig Meter nordwestlich von der Stelle, an der ich stehe, befindet sich eine Flammengrube. Ich werde hingehen und mich hineinstürzen. Innerhalb von zehn Sekunden gibt es dann keinen Richard Muller mehr. Ein Unglück wird damit ein anderes austilgen, und die Erde wird nicht schlechter dran sein als vor dem Zeitpunkt, an dem ich meine Spezialfähigkeit erworben habe. Da ihr diese Fähigkeit vorher nicht zu würdigen gewußt habt, sehe ich keinen Grund, warum ich sie euch jetzt nutzbar machen sollte.“
    „Wenn Sie sich unbedingt umbringen wollen“, sagte Boardman, „warum warten Sie dann nicht damit noch ein paar Monate?“
    „Weil mir nichts daran liegt, jemandem einen Dienst zu erweisen.“
    „Das ist kindisch. Eine Schwäche, die ich Ihnen nie zugetraut hätte.“
    „Es war kindisch von mir, von den Sternen zu träumen“, sagte Muller. „Ich handele jetzt also nur konsequent. Die Extragalaktiker können Sie als Zwischenmahlzeit einnehmen, Charles, das würde mir nicht das geringste ausmachen. Würde es Ihnen nicht Spaß machen, einmal Sklave zu sein? Irgendwo, im hintersten Winkel Ihres Gehirns wären Sie immer noch Charles Boardman, würden nach Freiheit schreien, während gleichzeitig

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