Der Mann mit dem Fagott
eigenen Vergnügen -, und spielte »Lucky Old Sun« mit meinem bewährten Arrangement. Danach würde ich es gut sein lassen, dachte ich mir. Beurteilen mußte er mich nach diesen drei Stücken eigentlich können.
Als ich fertig war, Johannes Fehring wieder dreimal leise geklatscht hatte, stand ich auf. »Vielen Dank, daß Sie mich empfangen haben« und wollte aus dem Raum gehen.
»Burschi, wo willst denn hin?« hielt Johannes Fehring mich zurück. »Engagiert woarst eh schon nåch die ersten acht Takte, i wollt nur noch a bissl zuhörn, du spielst so scheen, kumm, spiel noch a Stückerl. I såg da wos, Burschi, du bist a Wåhnsinn!«
Es war einer der seltsamsten und schönsten Erfolge meines Lebens. Bis heute hat Johannes Fehring mich nie mehr anders genannt als »Burschi«, und ich nehme es als Kompliment.
Draußen »fetzt« und swingt das Orchester. Viktor Blasil am Schlagzeug wächst mal wieder über sich selbst hinaus. Die Musik läßt mich alles vergessen. Die letzte Nummer des Sets. Danach kommt eine kleine Pause, dann mein Auftritt.
Ich spähe nach draußen. Dichtgedrängte Menschen an den Tischen und auf der Tanzfläche. Ein Mikrokosmos der jungen Wiener Gesellschaft im Rhythmus unserer Zeit. Viele Gesichter kommen mir inzwischen bekannt vor. Viele kommen immer wieder hierher, Paare, die sich hier, bei unserem Spiel gefunden haben, deren Werben umeinander wir von der Bühne aus verfolgen konnten. Viele Männer mit dem »Jägerblick«. Frauen, die allein kommen, sind selten, aber die eine oder andere sitzt doch an der Bar, darauf wartend, angesprochen, zum Tanzen aufgefordert zu werden. Manch eine ist auch wegen einem von uns Musikern hier oder mit einem von uns, und ich kann Gitta ein bißchen verstehen. Es muß seltsam sein, als Frau allein an der Bar zu sitzen und auf
die Pausen zwischen den Sets zu warten. Bestimmt ist das nicht einfach für sie.
»Håst a Feuer?« Die Kollegen haben ihr Set beendet, Charly Drewo, unser Tenor-Saxophonist steht abwartend, die Zigarette im Mund, neben mir.
Ich nicke, suche in den Taschen meiner Jacke nach einem Feuerzeug, finde keins, dafür einen seltsamen Haufen von Papierschnipseln, die ich entgeistert herausziehe. Im ersten Moment kann ich mir nicht erklären, was das ist, dann dämmert es mir langsam. Das darf doch nicht wahr sein! Verdammt noch mal! Das gibt’s doch nicht!
Ich setze Teile des merkwürdigen Puzzles zusammen und erkenne ein Bild von Panja, darauf in ihrer Handschrift die Worte: »Damit du unsere Liebe nicht vergißt und mir nicht untreu wirst, deine Panja, die dich jetzt schon vermißt.« Ich hab das Bild vorher nicht gesehen. Aber warum ist es zerrissen? Panja würde es mir doch nicht zerrissen in die Tasche stecken. Es gibt keine andere Erklärung: Panja wird es mir heimlich eingesteckt haben, als Glücksbringer. Und Gitta hat es gefunden, als sie meinen Bühnenanzug für mich aus der Reinigung geholt hat. Wahrscheinlich hat man es ihr in die Hand gegeben. »Das haben wir noch in der Tasche gefunden« oder so ähnlich. Sie weiß es jetzt also. Plötzlich wird mir einiges klar: ihre seltsame Stimmung, ihre Traurigkeit, ihre Gereiztheit. Gitta weiß Bescheid, und sie hat mir aus Rücksicht auf meinen Volksgartenauftritt nichts gesagt. Verzweiflung steigt in mir hoch. Warum mußte das passieren? Warum auf diese Art? Was sollte ich jetzt nur tun?
»Was ist denn mit dir los, Burschi? Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen.« Johannes Fehring setzt sich zu mir. »Was hast du denn da?« Er versucht aus meinen Papierschnitzeln irgendwie schlau zu werden.
»Ach, nichts.« Ich spüre, wie ich langsam wieder zurück in die Realität finde. Jetzt weiß sie es also, und wir werden irgendwie damit umgehen. Vorher aber habe ich hier einen Job zu machen, und ich werde ihn gut machen.
»Eine kleine, blöde Geschichte, nichts Wichtiges«, erkläre ich und setze das gleichgültigste Gesicht auf, zu dem ich in diesem Moment fähig bin, greife dankbar nach einer Zigarette, die Fehring
mir hinhält, lasse mir Feuer geben, atme tief durch. Gleich kommt mein Auftritt.
»Typisch Musiker«, meint Fehring. »Immer Theater mit de Weiba. Åber warum soll’s dir bessagehn. Burschi, vergiß es, jetzt låss’n ma’s swingen.« Johannes Fehring strahlt mich an, als er auf die Bühne geht. Das Orchester spielt einen herrlichen, leisen Riff, über den Johannes Fehring mich anmoderiert: »Meine Damen und Herren - begrüßen Sie mit uns - - einen jungen,
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