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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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und weiß nicht, ob Gitta und ich uns jemals wiedersehen werden …

Liebeskummer und Jazz
    Stimmengewirr, Gelächter und Musik sind aus der Adebar schon zu hören, bevor ich überhaupt den Eingang sehen kann. Ein Klanggemisch, das mir das Gefühl von Vertrautheit und ein wenig auch das Gefühl von »Zuhausesein« gibt. Männerfreundschaft, Jazz und ein paar Wodka Tonic. Jetzt bloß nicht zurückschauen. Und nicht nach Hause gehen.
    Charly Drewo winkt mich an den Musikerstammtisch. Auch der Schlagzeuger Viktor Blasil, der Posaunist Willy Meerwald und unser Alt-Saxophonist Hans Salomon und ein paar andere aus Fehrings Orchester sind noch da.
    Joe Zawinul, ein überirdisch guter junger Jazzpianist mit einem bereits international bekannten Namen, der gerade ein Stipendium an die renommierte Berklee School of Music in Boston bekommen hat und der, wenn er in Wien ist, fast jede Nacht in der Adebar hofhält, sitzt dabei. Er begrüßt mich freundlich: »Servas, Udo, setz di her!«
    Friedrich Gulda, ein junger klassischer Pianist, der mitten in den Anfängen einer Weltkarriere steckt, spielt gerade eine freie Jazzimprovisation
mit einer perlenden klassischen Technik, die mich begeistert. Ich könnte ihm stundenlang zuhören. Gulda ist vier Jahre älter als ich und ein Genie auf diesem Instrument. Bereits mit zwanzig Jahren hat er an der Carnegie Hall debutiert. Gerade hat er den renommierten Klavierwettbewerb von Genf gewonnen, den vielleicht wichtigsten Wettbewerb für klassische Pianisten. Seit ein paar Jahren hält er sich aber nicht mehr nur an das klassische Repertoire, sondern sprengt die engen Grenzen des Metiers und versucht sich auch als Jazzer, und ich beneide ihn nicht nur um seine brillante Technik, sondern auch um die Kreativität seiner harmonischen Ideen. Gerade spielt er einen Chorus, der unweigerlich das Lokal zum Verstummen bringt, doch vor Zawinuls Ohren finden Guldas Jazzimprovisationen wenig Gnade. Respektlos meint er mit dem typischen Wiener Schmäh: »Klavierspielen kånn er jå schon, åber wie ma richtig Tscheeeß spielt, des lernt der nie.« Nachdem Gulda sich unter Applaus vom Klavier erhoben hat und mit der ihm eigentümlichen, etwas bedächtigen Art, sich zu bewegen an unseren Tisch gekommen ist, fügt Zawinul hinzu: »Gell, Fritzl, des mit dem Tscheeß, des überlåßt du in Zukunft doch wieda liaba mir. Du waaßt eh, i håb des Herz von an Neger. Åber im Ernst: Guat håst gspielt - - für an Weißn.«
    Gulda nickt lachend. »I håb zwoar net des Herz von an Neger, åber, wås viel wichtiger ist, i håb die Seele von Mozart, und des wår jå bekanntlich der erste Tscheeeßer.«
    Alles lacht. Natürlich ist auch Joe Zawinul kein Schwarzer, in der gesamten Geschichte seiner Vorfahren findet sich zu seinem großen Bedauern kein Tropfen schwarzen Blutes. Ein weißer Jazz-musiker zu sein, das ist für ihn ein psychologisches Problem, das er auch im Gespräch immer wieder betont, daher hat er sich das »schwarze Herz« erdichtet, und wenn man ihn spielen hört, glaubt man ihm diese Geschichte sogar. Kaum ein weißer Pianist ist so tief in die »schwarze« Jazzkultur eingedrungen und in ihr verwurzelt wie Joe Zawinul. Jedenfalls habe ich noch keinen so spielen gehört wie ihn.
    »Und du, Udo, welches Herz schlågt in deiner Brust?« will Gulda von mir wissen. »Oder ist dein Herz gråd wieder amoi von aner Frau gebrochen worden, wie sich des für aan Sänger gehört?« Lautes Gelächter am Tisch.

    »Da liegst du heute gar nicht so falsch«, gebe ich zurück. »Aber ich glaube, dieser Abend ist gerade auf dem besten Weg, es wieder zusammenzuflicken.«
    »Darauf trink ma!« Zawinul erhebt sein Glas, und alle stoßen an. »Und da Udo wär sowieso net da Udo, wånn er kaa Theater mit de Weiber hätt. Auf de Weiber und daß sie uns des Leben nur net zu afåch måchn. Sunst warat’n ma jå nimma so oft in da Adebar.« Wieder stoßen alle an.
    »Warum bist du eigentlich net in Amerika, ån da Berklee School, wo du hingehörst?« wendet Gulda sich wieder an Zawinul.
    »I waaß net, wås i do måchn soll«, erwidert Zawinul. »I håb zwaor des Stipendium, åber i kånn ma net vorstelln, daß i’s lång ån aner Hochschule aushålt. I håb gråd a Ångebot von Maynard Ferguson bekommen. Des interessiert mi mehr und då lern i a mehr.«
    Wir alle wollen mehr darüber wissen: Maynard Ferguson, der Jazztrompeter, der die höchsten Töne spielt, die man je auf einer Trompete gehört hat. Aber Zawinul hat anderes

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