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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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sein Lied. Ich treibe die Gelder für die Produktionen auf. Sie werden nur noch Ihre eigenen Lieder singen. Konsequent. Trauen Sie sich das zu?«
    »Ja, natürlich, aber …«
    Hans R. Beierlein unterbricht mich lachend: »Nix ›Aber‹. Ich will nur hören: Trauen Sie sich zu, gute Songs zu schreiben und sie zu singen oder lassen wir’s?«
    »Natürlich traue ich mir das zu.«
    »Sehen Sie, das wollte ich hören. Erst mal sollten wir anfangen, etwas zu tun. Das Vertragliche zwischen uns können wir immer noch regeln, das hat Zeit. Einverstanden?«
    Das ist ganz nach meinem Geschmack. Ich hasse es, immer gleich Verträge zu unterschreiben, wenn man noch gar nicht weiß, was auf einen zukommt. Auch wenn das natürlich einen großen Vertrauensvorschuß voraussetzt, der schiefgehen könnte.
    »Einverstanden«, erkläre ich überzeugt.
    »Gut. Das nächste Problem sind die Texte. Wir müssen gute Textdichter finden, die diesen Weg mit uns gehen und die uns Texte in der gleichen Qualität wie Ihre Kompositionen schreiben. Bis wir die haben, sollten Sie sich selbst als Texter herausfordern. Sie haben schließlich auch den Text für ›Jenny‹ geschrieben, da müßte eigentlich noch mehr in Ihnen stecken. Die Texter, die wir suchen, müßten Literaten der Gegenwart sein, die für uns schreiben und das für sich als neue Kunstform entdecken. Da werde ich
mich umhören. Bis dahin sehen Sie sich das einmal an, das wird Sie inspirieren.« Er reicht mir einen Stapel mit Texten. »Das sind Übersetzungen der Songs, die in Frankreich und Italien erfolgreich sind. Sie werden staunen, wie tief man da in die Sprache und in die Erfahrungswelt des Alltags eindringen kann. Studieren Sie das. Hier reimt sich nicht mehr ›Glück‹ auf ›Zurück‹ und ›Herz‹ auf ›Schmerz‹. Hier geht es um etwas anderes. Und das muß auch unser Ziel sein. Es müssen Lieder entstehen, die die alltägliche Lebenserfahrung der Menschen spiegeln, Lieder, die authentisch sind und die den Puls der Zeit treffen. Die Lieder müssen endlich Inhalte bekommen, die unsere Sorgen, unsere Ängste, aber auch unser Glück widerspiegeln. Man muß das hören, was wir hier in diesem Land empfinden. Es müssen deutsche Lieder sein, aber eben ganz anders als bisher. Die Menschen müssen sich von den Liedern aufgefangen fühlen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Ich nicke beeindruckt und zunehmend begeistert. Noch kann ich mir das alles nicht wirklich vorstellen. Noch klingt das alles für mich viel zu schön um wahr zu sein, doch die Energie dieses Mannes läßt mich zum ersten Mal wirklich an meine Zukunft in diesem Metier glauben.
    »Gut. Darauf sollten wir anstoßen. Lassen Sie uns rübergehen.« Er zeigt in die andere Ecke des Zimmers, wo der Fernseher vor einem ledernen Sofa steht. Er öffnet eine Flasche Weißwein, die im Kühler bereitsteht, schenkt uns ein. »Ich liebe Weißwein. Wie steht’s mit Ihnen? Und wenn wir so eng zusammenarbeiten wollen, dann sollten wir uns eigentlich duzen. Was meinen Sie?«
    »Ja, gern!« Wir trinken Bruderschaft.
    Im Fernsehen Bilder des Kennedy-Besuches in Deutschland. Hans R. Beierlein stellt interessiert den Ton lauter. »Siehst du, auch da brechen neue Zeiten an! Was für ein charismatischer junger Mann mit ganz neuen Ideen, ganz neuen gesellschaftlichen Konzepten! Die Welt verändert sich. Und was ich am besten finde, man munkelt ja, daß er auch den Frauen sehr zugetan ist. Endlich ein Politiker, den man sich auch in den Armen einer Frau vorstellen kann. Für mich ist er dadurch viel glaubhafter.«
    Ich nicke, betrachte fasziniert die Bilder von den jubelnden Menschenmassen, denke an das Gespräch mit Marlene Dietrich vor ein paar Tagen in Baden-Baden. Und springe auf einmal begeistert
auf: Im Wagen neben John F. Kennedy steht mein Onkel Werner! »Das ist mein Onkel Werner, dort, neben Kennedy!«
    »Was? Wieso ›Onkel‹? Ich verstehe immer ›Onkel‹? Wie meinst du das?«
    »Naja, Werner Bockelmann ist der Bruder meines Vaters Rudi. Also mein Onkel Werner. Er ist Oberbürgermeister von Frankfurt und offenbar heute Gastgeber des amerikanischen Präsidenten! Das ist ja phantastisch!«
    Hans sieht mich überrascht an. »Du scheinst ja eine ausgesprochen interessante Familie zu haben. Das mußt du mir mal in Ruhe erzählen.«
    Wir sehen gebannt zu. Die Delegation trifft im Römer ein. Mein Onkel hält die Begrüßungsrede, spricht von der Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika, von großen Amerikanern, die

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