Der Mann mit dem Fagott
Bassey hat mit meinem »Reach For The Stars« in vielen Ländern, auch in den USA, erste Plätze der Hitparaden erreicht, und Sarah Vaughan mit meinem »Right Or Wrong«, produziert von meinem Idol Qunicy Jones, dem »Gott« der amerikanischen Musikszene, den ich damals in Harlem gemeinsam mit Count Basie erlebt habe, ist ebenfalls überall zu hören. So schlecht kann das, was ich mache, also eigentlich gar nicht sein.
Vielleicht sollte ich langsam ernsthaft darüber nachdenken, nur noch zu komponieren. Vielleicht ist das mein Weg. Und es wäre nicht der schlechteste. Es wäre eine Möglichkeit, über die ich nachdenken sollte, wenn sich in den nächsten Jahren nichts bewegt. Mit dreißig sollte ich mich entscheiden. Dann möchte ich nicht mehr wie jetzt fremde Lieder aufnehmen, um meine Miete bezahlen zu können und das auch noch mit so miserablen Verträgen, die mir, selbst wenn ich einige hunderttausend Platten verkaufen würde, wenn’s hochkommt, ein paar tausend Mark Gage einbrächten. So kann es nicht ewig weitergehen. Bis jetzt habe ich immer alles unterschrieben, was man mir angeboten hat, ohne je zu verhandeln, Forderungen oder auch nur eine Frage zu stellen. Hauptsache, ich konnte musizieren und irgendwie davon leben. Geschäftstüchtig war ich ja noch nie, und die Plattenbosse geben einem sowieso immer das Gefühl, nur ein kleiner, unwichtiger, austauschbarer Bittsteller zu sein. Aber langsam stelle ich fest, daß ich ausgenutzt werde. So komme ich nie auf einen grünen Zweig. Es wird höchste Zeit, daß ich irgendwie zu einem Manager komme, der für mich verhandelt, an mich glaubt, sich für mich und meine Musik einsetzt.
»I reach - for the stars - when I reach for your hand«, stimme
ich ganz in Gedanken an und finde, daß das Lied mir wunderbar gelungen ist. Ich denke für einen Augenblick an Patsy und ihre Sterne. Wie sie wohl so lebt in der amerikanischen Kleinstadt? Das Leben geht schon seltsame Wege.
»Das ist ja ein schöner Song. Was spielen Sie da?« Eine rauchige, sonderbar vertraute und doch fremde Frauenstimme hinter mir. Ich habe gar niemanden kommen gehört. Ich drehe mich um - und Marlene Dietrich lächelt. Das Maskenhafte ihres Gesichts, die Sphinx, der Mythos ist verschwunden, das enge Bühnenkleid hat sie gegen ein elegantes Kostüm getauscht. Ich springe nervös auf. »Bleiben Sie ruhig sitzen, ich möchte Sie nicht stören.«
Ich schüttle den Kopf. »Aber nein, ich war sowieso gerade fertig.«
Sie zündet sich trotz des Rauchverbotsschildes, das vor uns prangt, eine Zigarette an, bietet mir auch eine an, gibt mir wie selbstverständlich Feuer, lacht, als ich etwas nervös auf das Schild zeige »Einfach ignorieren. Alles, was auf irgendwelchen Verbotsschildern steht, interessiert mich nicht. Erzählen Sie mir lieber von diesem Song«, lehnt sich ans Klavier.
»Das ist ›Reach For The Stars‹. Shirley Bassey hat es gesungen. Vielleicht haben Sie’s ja schon mal gehört?« antworte ich etwas hektisch und versuche, mich von meinem unendlichen Respekt vor dieser Frau nicht allzusehr nervös machen zu lassen.
»Oh, ja, jetzt, wo Sie es sagen. Natürlich hab ich das schon gehört. Das ist ja auf der ganzen Welt ein Riesenhit. Ich finde es bemerkenswert, daß Sie solche Sachen spielen.«
»Naja, das fällt mir nicht schwer, der Song ist von mir«, erkläre ich, und meine Verlegenheit ist etwas größer als mein Stolz.
»Oh, das ist ja phantastisch! Ich glaube, ich sollte mir morgen Ihren Auftritt ansehen.« Sie streift die Asche ihrer Zigarette einfach an einem alten Kaffeebecher ab.
»Ich weiß nicht so recht, ob ich Ihnen das empfehlen würde. In der Show singe ich ganz andere Sachen, eher für den deutschen Markt, wie meine Produzenten behaupten. Jedenfalls leider nichts von mir.«
Sie sieht mich ungläubig an. »Das verstehe ich nicht. Sie sollten nur Ihre eigenen Sachen singen, da gibt’s doch gar nichts zu überlegen!« meint sie mit Bestimmtheit.
»Das sieht meine Plattenfirma leider anders«, erwidere ich ruhig und beginne, meine Anspannung ein wenig zu überwinden. »Aber lassen wir das, so ist es eben. ›Showbusiness‹ und Deutschland, das paßt noch nicht so richtig zusammen.«
Sie lacht. »Ja, und Marlene Dietrich und Deutschland, das paßt irgendwie auch noch nicht - oder nicht mehr so ganz.«
Verblüfft sehe ich sie an. »Aber warum denn? Sie haben doch gemerkt, wie Sie gerade bei der Probe bejubelt worden sind. Und was morgen abend hier los sein wird,
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