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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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ihrem Entschluß bestärken. Da ihr Telefon vermutlich abgehört wurde, wollte er den Namen Mike Hamilton benutzen und eine Nachricht auf ihren Anrufbeantworter sprechen oder bei einem Kollegen im Büro der »Washington Post« hinterlassen. Dort war sie zufällig, als er anrief.
    »Wie geht es?«
    »Ich überlege, ob ich einen Fehler gemacht habe«, antwortete Holly.
    »Es war kein Fehler, glauben Sie mir.«
    »Wie ist die Verhandlung gelaufen? Gut?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Ach!«
    »Haben Sie ihnen das Versprochene geschickt?«
    »Noch nicht.«
    »Tun Sie es. Unbedingt!«
    »Das Material ist so interessant. Ich finde es schrecklich, daß …«
    »Tun Sie es«, wiederholte Buchanan. »Verärgern Sie sie nicht.«
    »Wenn ich die Story aufgebe, komme ich mir wie ein Feigling vor.«
    »Mehr als einmal habe ich etwas Dummes getan, weil ich mir nicht wie ein Feigling vorkommen wollte. Rückblickend war mein Stolz die Sache nicht wert. Ich muß weiter. Der beste Rat, den ich Ihnen geben kann …« Er wollte etwas Beruhigendes sagen, doch ihm fiel nichts ein. »Machen Sie sich weiter keine Gedanken über Tapferkeit und Feigheit. Folgen Sie Ihrem gesunden Menschenverstand.«
    Er legte auf, stieg rasch wieder in den Wagen und kehrte auf den vielbefahrenen Highway zurück. Vor ihm stand die Sonne am Horizont. Er blinzelte, denn das grelle Licht war ihm unerträglich.
    Folgen Sie Ihrem gesunden Menschenverstand?
    Weise Ratschläge kannst du geben, dachte er, nur selber nimmst du keine von dir an.

3
     
    Kurz nach neun Uhr abends ließ er die gras- und baumbestandene wellige Prärie des östlichen Texas hinter sich und erreichte das Lichtermeer von San Antonio. Sechs Jahre zuvor hatte er die üblichen Touristenausflüge unternommen und The Alamo besucht, den restaurierten Palast des einstigen spanischen Gouverneurs, die San José Mission und La Villita, den rekonstruierten Teil einer ursprünglich spanischen Ansiedlung aus dem achtzehnten Jahrhundert.
    Weiterhin hatte er viel Zeit in den Vororten verbracht, zu denen auch Castle Hills gehörte, wo Juanas Eltern wohnten. Juana hatte einen falschen Namen benutzt, damit niemand ihre Eltern ermitteln und sie über die Tochter und deren vermeintlichen Ehemann ausfragen konnte. Buchanan kannte sie nicht, wußte aber, wo sie wohnten. Er schlug sofort die Richtung zu ihrem Haus ein und war, obwohl er sich mehrmals verfuhr, erstaunt, wie gut er sich noch erinnerte.
    Juanas Eltern besaßen ein einstöckiges Haus, einen Backsteinbau mit Schindeldach, zur Straße hin mit gepflegtem Rasen und schattenspendenden Eichen. Buchanan parkte am Bordstein und sah, daß im Wohnzimmer Licht brannte. Er stieg aus, schloß die Wagentür ab und betrachtete sein Spiegelbild im Schein einer Straßenlaterne in der Scheibe. Sein markantes Gesicht wirkte müde, doch als er sich das Haar gekämmt und die Kleidung geordnet hatte, sah er halbwegs anständig aus.
    Prüfend blickte er die Straße auf und ab und suchte gewohnheitsgemäß das Dunkel danach ab, ob das Grundstück beobachtet wurde. Wenn Juana in Schwierigkeiten steckte, was die Postkarte und mehr noch die versäumte Verabredung nahelegten, wenn sie sich auf der Flucht befand, war anzunehmen, daß ihre Feinde die Eltern observierten. Die militärisch ausgebildete Juana hätte nie Namen und Anschrift ihrer Eltern preisgegeben, doch in den vergangenen sechs Jahren konnte manches geschehen sein.
    Die Straße schien sicher – in der Nähe des Hauses war kein Auto geparkt, an der Ecke lungerte keiner herum, der scheinbar auf einen Bus wartete. In den erleuchteten Nachbarhäusern spielte sich normales Familienleben ab. Sollte sich ein verdächtiger Beobachter in den Büschen verbergen, dürfte es ihm in dieser gutbürgerlichen Gegend schwerfallen, nicht die Aufmerksamkeit von Hunden und den Argwohn von Passanten zu erregen.
    Buchanan benötigte nur wenige Augenblicke, das alles zu registrieren. Ein Fremder hätte ihn bloß für einen Besucher gehalten, der sich das Haar kämmt, bevor er zum Haus ging. Die Nacht war mild, in der Luft hing der Duft gefallenen Herbstlaubs. Drinnen ertönte vom Soundtrack einer TV-Unterhaltungssendung stammendes Gelächter. Er drückte auf den Klingelknopf. Über die knarrenden Holzdielen näherten sich Schritte, und am verglasten Vordereingang erschien eine Silhouette.
    Im Licht einer über ihm aufleuchtenden Lampe sah er eine Lateinamerikanerin in den späten Fünfzigern, mit schulterlangem Haar und einem

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