Der Mann mit den hundert Namen
brauchst, wenn du mal in der Patsche sitzt, brauchst du bloß darum zu bitten, und egal, wie lange es her ist, egal, wie weit weg ich bin, ich werde …«
»Fehlt Ihnen etwas, Sir?«
»Wie bitte?«
»Sie sitzen seit einer halben Stunde hier und haben weder den Kaffee noch die beignets berührt.«
»Eine halbe Stunde?«
»Andere Gäste würden gern Platz nehmen.«
»Ich warte auf jemanden.«
»Dennoch – andere Gäste würden gern …«
»Bringen Sie mir noch mal dasselbe. Hier sind zehn Dollar für Ihre Mühe.«
»Vielen Dank, Sir.«
Mitternacht. Ein Uhr. Die Leute ringsherum warfen ihm spöttische Blicke zu.
Um zwei Uhr wußte er, daß es keinen Sinn hatte, noch länger zu warten.
Was war um Gottes willen geschehen? Sie brauchte seine Hilfe. Warum durfte er ihr nicht beweisen, wie sehr er sie liebte? Und daß er zu allem bereit war.
15
Buchanan packte seinen Koffer und legte ein ausgefülltes Checkout-Formular auf das Bett. Es war drei Uhr nachts, niemandem fiel auf, daß er das Hotel durch einen Hintereingang verließ. Er hielt ein Taxi an.
»Wohin, Sir?« Der Fahrer war mißtrauisch, als könne ein Mann, der um diese Zeit mit einem Koffer unterwegs war, nur Böses vorhaben.
»Zu einer Autovermietung, die die ganze Nacht geöffnet hat.«
Der Fahrer überlegte kurz. »Steigen Sie ein. ‘n bißchen spät für ‘ne Reise.«
»Kann man wohl sagen.«
Buchanan sank auf den Rücksitz und dachte nach. Fliegen wäre einfacher gewesen, aber er wollte nicht bis zum Morgen auf die erste Maschine warten. Einerseits könnten Major Putnam, Captain Weller und Alan früher eintreffen und ihn im Hotel abfangen. Andererseits hatte er nicht genug Geld für ein Ticket in der Tasche und hätte mit Kreditkarte zahlen müssen. Doch die lautete auf den Namen Brendan Buchanan und würde sie auf seine Spur führen.
Auch bei der Autoverleihfirma mußte er die Karte benutzen, doch dort würde der Zielort seiner Reise nicht notiert werden. Wenn er Glück hatte, würden seine drei Quälgeister sich damit abfinden, daß er, wie angekündigt, den Abschied genommen und sich ins Privatleben zurückgezogen hatte. In einer intakten Gesellschaft würde man das nicht als eine Bedrohung, sondern als eine noble Geste deuten. Um die Gedanken der Offiziere in diese Richtung zu lenken, hatte er seinen Entschluß mit ein paar formellen Floskeln zu Papier gebracht, den Umschlag mit Alans Namen versehen und beim Portier für ihn hinterlegt.
»Wir sind da, Sir.«
Buchanan schreckte auf und erblickte eine hellerleuchtete Autovermietung in der Nähe einer Tankstelle.
»Wenn ich Sie wäre, Sir, würde ich mich beim Fahren nicht übernehmen. Sie sehen kaputt aus.«
»Danke. Es wird schon gehen.«
Muß mich bemühen, beim Mieten des Autos munterer auszusehen, dachte er.
Gleich darauf schob ihm ein noch wesentlich müder aussehender Mann mit Brille einen Mietvertrag über den Tisch. »Ich brauche Ihre Kreditkarte und Ihren Führerschein. Zeichnen Sie die Versicherungsklausel ab und unterschreiben Sie unten.«
Wenn bloß die Kopfschmerzen aufhören wollten. Er durfte jedoch keine Tabletten mehr nehmen. Juana zuliebe. Er mußte jetzt alles dransetzen, sie wiederzufinden, und ihm fiel nur ein einziger Ort ein, wo er mit der Suche beginnen konnte.
16
»Es ist erledigt«, sagte Raymond.
Alistair Drummond, der in seinem Privatjet saß und einen Bericht las, hob den Blick. Der Rumpf der Maschine vibrierte leicht, während sie über den Himmel jagte. »Einzelheiten«, befahl er.
»Eben habe ich eine Radiomeldung erhalten. Der Direktor des Nationalinstituts für Archäologie und Geschichte ist gestern morgen bei einem Autounfall in der Nähe des Nationalpalastes in Mexico City ums Leben gekommen.«
»Tragisch. Haben wir Beweise, daß Delgado dafür verantwortlich ist?«
»Der Mann, den er beauftragt hat, arbeitet für uns. Wenn wir es wünschen, belastet er Delgado, vorausgesetzt, wir garantieren ihm Straffreiheit.«
»Ist schon ein Nachfolger bestimmt worden?«
Raymond nickte.
»Ein Beamter, der mit unserem Vorhaben einverstanden ist?«
Raymond nickte abermals. »Und Geld wird ihn noch zugänglicher machen.«
»Gut«, sagte Drummond mit brüchiger Stimme. »Die Frau ist nicht mehr nötig, selbst wenn wir sie finden. Als Druckmittel gegen Delgado brauchen wir sie nicht mehr, denn wir haben etwas anderes in der Hand. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Delgado der nächste Präsident des Landes, vorausgesetzt, daß wir seine
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