Der Mann mit den hundert Namen
»Sagen Sie nichts. Lassen Sie meine Worte einfach im Raum stehen. Damit ich mir wie eine Idiotin vorkomme.«
»Nein, ich … Ich fühle mich geschmeichelt.«
»Lassen Sie sich lieber was Netteres einfallen oder, so wahr ich hier sitze, ich halte an …«
»Ich versuche nur, Ihnen zu erklären, daß ich auf diesem Gebiet nicht besonders gewandt bin. Für mich ist es eine neue Erfahrung, daß jemand mich mag. Nie blieb ich lange genug an einem Ort, um eine Beziehung anzuknüpfen.«
»Aber doch wenigstens einmal …«
»Ja, mit Juana. Stimmt. Einmal.«
»Und ich riskiere mein Leben und helfe Ihnen, eine fremde Frau zu finden. Nicht zu fassen!«
»So einfach ist die Sache nicht. Es geht nicht nur darum, daß ich nie Gelegenheit hatte, eine Beziehung anzuknüpfen, sondern auch darum, daß ich nie lange genug dieselbe Person war. Nicht ich will Juana finden, es ist Peter Lang.«
»Peter Lang? Das sind doch Sie! Haben Sie nicht gesagt, daß er eine Ihrer Identitäten war? Ich glaube, ich schreie gleich!«
»Nicht doch. Später, jetzt nicht. Bringen Sie uns raus aus der Stadt.«
»Wohin?«
»Nach Norden – nach New York. Zu Frederick Maltin, dem Ex von Maria Tomez. Noch etwas. Halten Sie mal an einer Telefonzelle.«
13
Ein Uhr morgens, auf der Strecke zwischen Washington und Baltimore. Holly hielt bei einer Raststätte am Highway 95. Buchanan stieg aus und ging zum Telefon.
Ein Mann nahm ab. »Potomac Catering.«
»Hier spricht Proteus. Ich muß den Colonel sprechen.«
»Er ist im Augenblick nicht hier, Sie können eine Nachricht hinterlassen.«
»Richten Sie ihm aus, ich hätte die Botschaft verstanden. Es wird keine Schwierigkeiten geben. Ich hätte seine vier Männer töten können. Er soll mich in Ruhe lassen, und Holly McCoy auch. Melden Sie ihm, daß ich untertauchen will. Und daß meine Beziehung zu Holly McCoy rein privater Natur ist und nichts mit der Sache zu tun hat. Sorgen Sie dafür, daß ihn jedes Wort erreicht.«
Er legte auf und wußte, daß die Nummer des von ihm benutzten Telefons automatisch auf einem Display im Büro des »Caterers« erschien. Falls der Colonel Buchanans Friedensangebot akzeptierte, würden sie ab sofort Ruhe haben. Wenn nicht …
Er eilte zum Wagen zurück und nahm diesmal neben Holly Platz. »Ich habe getan, was ich konnte. Fahren wir weiter.«
Er hob seine Reisetasche hoch und schnitt vor Schmerzen eine Grimasse. Er zog sich die Hose aus.
»He, was soll denn das?«
»Ich wechsle die Kleider, bin völlig durchnäßt.« Im Licht vorbeiflitzender Wagen untersuchte er die Wundstelle. »Und ich blute. Ich hatte recht – ein paar Stiche sind aufgegangen.« Er fischte eine Tube antibiotische Salbe und Verbandszeug aus der Tasche und begann, sich zu verarzten. »Wissen Sie, was ich gern hätte?«
»Ein normales Leben?«
»Nein, bloß Kaffee und Sandwiches.«
14
In einem Apartment fünf Blocks nördlich der »Washington Post« verzog der Colonel das Gesicht und legte auf.
»Wollen Sie meinen Rat hören?« fragte Alan, der auf dem Nebenanschluß mitgehört hatte.
»Nein.« Streß und Übermüdung zeichneten das schmale Gesicht des Offiziers.
»Na, hören Sie trotzdem.« Ein sprießender Bart betonte Alans feiste Wangen. »Buchanan gibt Ihnen ein Zeichen. Er will Frieden. Gehen Sie darauf ein.«
»Wieso?« fragte der Colonel trocken. »Ich bin es nicht gewöhnt, Ratschläge von Zivilisten anzunehmen. Vor allem dann nicht, wenn sie nicht begreifen, wie schwerwiegend Buchanans Vergehen ist. Ein Soldat darf seine Einheit nicht im Stich lassen. Schon gar nicht Buchanan. Er weiß zuviel, und er ist und bleibt ein Sicherheitsrisiko. Sonst herrscht Chaos.«
»Und Schießereien auf offener Straße sind kein Chaos? Das alles hat gar nichts zu tun mit Prinzipien oder mit Sicherheit. Es geht nur um Ihren Stolz. Ich hatte große Bedenken, als sich das Militär in Operationen eines zivilen Nachrichtendienstes einschaltete. Es schmeckt Ihnen nicht, Ratschläge von Zivilisten anzunehmen? Dann sollten Sie mal in unserer Verfassung lesen. Denn genau das ist Ihre Pflicht: sich beraten zu lassen. Wenn die Agency nicht das Sagen hätte, wären Sie unabhängig, und das würde Ihnen gefallen, was? Eine Privatarmee, mit der Sie machen können, was Sie wollen. Ihre Privatkriege.«
»Verschwinden Sie. Dauernd jammern Sie, daß Sie Frau und Kinder nicht mehr sehen. Gehen Sie nach Hause.«
»Damit Sie allein schalten und walten können? Ich bleibe hier, bis diese Angelegenheit
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