Der Mann mit den hundert Namen
zweite stimmte in das Geheul ein.
Buchanan sprintete nach links in Richtung Twentieth Street, als er plötzlich vor sich wie auch von rechts und links Scheinwerfer auf sich gerichtet sah. Er wußte nicht, wohin, wollte kehrtmachen, doch es war zu spät, die Lichter kamen direkt auf ihn zu.
Bremsen quietschten, der Wagen war nicht mehr zum Stehen zu bringen. Buchanan hechtete nach vorn, landete auf der Motorhaube und rutschte vor, um den Aufprall abzufangen. Das Gesicht gegen die Windschutzscheibe gepreßt, erkannte er zu seiner Verblüffung das leuchtendrote Haar von Holly Mc-Coy, die am Steuer saß.
Ihr Gesicht war schreckverzerrt, ein stiller Schrei. Buchanan riß den Kopf hoch, spähte vorsichtig über das Dach des schleudernden Wagens und sah die beiden Killer an der Kreuzung. Er hob die Pistole und drückte viermal ab. Genaues Zielen war nicht möglich, doch es genügte, die Männer in den Schutz der Nebenstraße zu treiben.
»Losfahren, Holly! Nicht stehenbleiben! Los!«
Der Wagen hörte auf zu schleudern und kam wieder in Fahrt. Buchanan rutschte nach oben und stieß mit dem Gesicht hart gegen die Windschutzscheibe. Verzweifelt sah er sich um – sie hatten die Twentieth Street erreicht, eine nach Norden führende Einbahnstraße. Holly mußte links abbiegen und sich in den Verkehr einordnen. Der Seitenschwung schob ihn über das nasse Blech. Die Reisetasche in der einen Hand, die Pistole in der anderen, konnte er sich nirgendwo festhalten. Er glitt weiter und bereitete sich auf den Aufprall auf der Straße vor. Ellbogen an den Körper, abrollen, den Kopf hoch, schrie er sich innerlich zu, klammerte sich mit dem rechten Ellbogen am Außenspiegel fest und zog die Beine an. Der Spiegel gab unter seinem Gewicht nach, doch er löste den Arm nicht, sackte tiefer und immer tiefer, die Füße nur wenige Zentimeter über der Straße. Als der Spiegel abbrach, landete Buchanan unsanft auf der Straße, mitten in einer Pfütze, völlig ausgepumpt.
Schwankend kam er auf die Füße. Noch mehr Scheinwerfer, Sirenen, schnelle Schritte. Holly bremste scharf, setzte ein paar Meter zurück und betätigte die automatische Türentriegelung. Buchanan riß die Hintertür auf, warf sich hinein und knallte die Tür zu. Geduckt schrie er: »Los, Holly! Weiter!«
12
Sie gehorchte, sah angestrengt an den hin und her schwingenden Scheibenwischern vorbei und vergewisserte sich im Innenspiegel, ob die Sirenen zu Polizeiwagen gehörten, die ihre Verfolgung aufgenommen hatten. Die Scheinwerfer hinter ihr hielten jedoch Abstand, auf dem Bürgersteig waren keine ballernden Männer zu sehen, und die Sirenen klangen schon ferner.
»Was ist geschehen?« fragte sie bestürzt.
Buchanan erklärte es rasch und drückte sich tief auf den Rücksitz, um nicht gesehen zu werden.
»Sind Sie verletzt?« Sie hatte feuchte Hände.
»Ich glaube, die Naht ist etwas aufgerissen.« Seine Stimme klang gepreßt. »Wenn’s nicht schlimmer ist, bin ich okay.«
»Bis zum nächsten Mal.«
»Ein Glück, daß Sie zufällig hier entlanggefahren sind.«
»Das war nicht rein zufällig. Als Sie gejagt wurden, rannten Sie auf die Straße zwischen zwei vorbeifahrende Wagen.«
»Stimmt, aber woher wußten Sie …?«
»Der zweite Wagen hupte – das war ich. Nachdem der Parkplatzwächter des Hotels ihn mir gebracht hatte, entschloß ich mich, einmal um den Block zu fahren und nach Verfolgern Ausschau zu halten. Außerdem wollte ich mich überzeugen, ob Sie das Hotel unbeschadet verlassen hatten. Ich kam Ihnen entgegen und wurde Zeuge der Schießerei. Sie sind mir vor den Wagen gerannt, bevor ich Sie auf mich aufmerksam machen konnte.«
»Ich wollte Sie nicht auch noch in diese Sache hineinziehen. Wirklich nicht. Tut mir leid, Holly.«
»Nun ist es einmal geschehen. Ich bin auch nicht unschuldig. Ich hätte es ja ablehnen können, mich mit Ihnen zu treffen. Soll ich ehrlich sein? Ich dachte, Sie wollen mir etwas mitteilen, das mich wieder auf meine Story zurückbringt. Nun muß ich dafür büßen.«
»Sie haben es also begriffen.« Er sprach zögernd. »Die andere Seite hält uns beide für gefährlich, weil wir zusammen erwischt wurden. Was vorher bloß ein Verdacht war, ist jetzt Gewißheit: Ihr Leben ist in allergrößter Gefahr.«
Holly versuchte, ruhig zu atmen. »Ich hatte noch einen anderen Grund. Der war noch törichter und hatte nichts mit der Story zu tun. Im Innersten verspürte ich den Wunsch, Sie wiederzusehen. Dumm, was?« Sie wartete.
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