Der Mann mit den hundert Namen
geklärt ist.«
»Dabei wird Ihnen Hören und Sehen vergehen.«
»Buchanan behauptet, daß seine Beziehung zu der Journalistin nichts mit Ihnen zu tun hat.«
»Und das glauben Sie?«
»Er ist kein Dummkopf. Auch er hat nichts zu gewinnen, wenn er gegen Sie arbeitet. Aber wenn Sie ihn jagen, wird er aus Wut gegen Sie arbeiten. Und, ehrlich gesagt, Colonel, Buchanan ist der letzte, den ich als Feind haben möchte.«
Elftes Kapitel
1
Buchanan erwachte mit rasenden Kopfschmerzen und blickte auf die Uhr: acht Uhr morgens. Holly fuhr auf der Madison Avenue in New York City nach Norden.
»Sie hätten mich wecken sollen«, sagte er.
»Damit Sie mich unterhalten? Nein, Sie brauchten Schlaf. Mir hat die Stille nichts ausgemacht. Da hatte ich Gelegenheit nachzudenken.«
»Worüber?«
»Ich machte mir klar, daß es für mich kein Zurück gibt. Vorwärts heißt die Devise.«
»Sie dürfen es nicht übertreiben, sonst machen Sie schlapp. Ich bin nicht der einzige, der Schlaf brauchte.«
»Ich habe unterwegs auf Rastplätzen immer mal die Augen zugemacht, für ein paar Minuten.«
»Jedenfalls sieht man Ihnen nicht an, daß Sie fast die ganze Nacht durchgefahren sind.«
»Kosmetik wirkt Wunder. Und die Waschbecken an Raststätten. Übrigens, wenn wir die Sache durchziehen wollen, müssen Sie sich rasieren.«
Er rieb sich über das Kinn. Aus seinem Necessaire nahm er einen Rasierapparat und begann damit über die stoppeligen Wangen zu schaben.
»Tut das nicht weh?«
»Man gewöhnt sich daran. Bei Einsätzen war das oft die einzige Möglichkeit, einigermaßen anständig auszusehen.«
Sie stellte keine Fragen zu diesen Einsätzen und konzentrierte sich nur auf die Straße.
»Ist noch etwas Kaffee übrig?« fragte er.
»Nein. Da wir aber gerade …«
Sie hielt am Straßenrand, rannte bei laufendem Motor in eine Kaffeestube und kam kurz darauf mit zwei dampfenden Styroporbechern zurück.
»Das Sherry-Netherland Hotel ist nur einen Block weiter, in der Fifth Avenue. Es war in dem Artikel in der ›Post‹ erwähnt. Wie wollen Sie vorgehen?«
»Erst mal suchen wir einen Platz zum Parken. Dann überprüfen wir, ob Frederick Maltin beobachtet wird.«
»Warum sollte er beobachtet werden?«
»Um eine peinliche Sache aus der Welt zu schaffen. Man hat wohl nicht erwartet, daß er solch einen Wirbel veranstaltet, die Presse alarmiert und auf das Verschwinden von Maria Tomez aufmerksam macht. Ich vermute, sie – wer immer ›sie‹ sind – wollen das in Ordnung bringen.«
2
Das Sherry-Netherland befand sich schräg gegenüber vom Plaza Hotel in der Fifth Avenue, nicht weit entfernt von einem Eingang zum Central Park. Trotz des noblen Ambiente in der Gegend fiel es Buchanan und Holly nicht schwer, überzeugend als Touristenpärchen aufzutreten. Sie schlenderten um den Block, blieben vor Schaufenstern stehen, beobachteten den Eingang zum Park und erkundeten gründlich das Umfeld.
»Natürlich können in den umliegenden Häusern Aufpasser sitzen«, warnte er und fotografierte mit Hollys Kamera einen Wolkenkratzer. »Unter den Passanten entdecke ich keinen Verdächtigen.«
Sie setzten sich auf eine Bank neben das mit Goldbronze überzogene Standbild von General William Tecumseh Sherman.
»Zeit für Ihre kleine Rolle. Ich fürchte, die ist ziemlich schwierig.«
»So?«
»Sie müssen nämlich eine Journalistin imitieren.«
Sie stieß ihm den Ellbogen in die Seite.
Er lachte. »Hoffentlich haben Sie Ihren Presseausweis bei sich.«
»Immer. In der Kameratasche.«
»Und ich bin Ihr Assistent. Nennen Sie mich … Wie hieß der Kerl, der Ihnen in New Orleans hinterherlief?«
»Ted.«
»Richtig. Nennen Sie mich Ted. Wir kommen also beruflich zu Mr. Maltin. Am besten überlassen Sie dem Assistenten die Tasche.«
Sie näherten sich dem überdachten Eingang des Sherry-Netherland. Buchanan nickte dem livrierten Portier zu, ging durch die Drehtür und betrat das Foyer vor Holly, um sich umzusehen. Nichts Bedrohliches, dachte er, und wartete auf Holly.
»Sie wünschen, Sir?« Der Hotelangestellte sprach wie üblich den männlichen Teil des Paares an. Da Buchanan den Assistenten spielte, sah er Holly mit hochgezogenen Augenbrauen an und wartete auf ihre Antwort.
Sie schlüpfte sofort in ihre Rolle. »Ich bin Reporterin.« Sie zeigte den Presseausweis vor.
Der Livrierte warf einen flüchtigen Blick darauf und achtete nur auf den Namen der Zeitung und sonst nichts.
»Ich würde gern mit Mr. Maltin sprechen.«
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