Der Mann mit den hundert Namen
Holly steckte den Ausweis ein.
»Sind Sie angemeldet?«
»Nein, aber wenn er nicht beschäftigt ist, würde ich gern zehn Minuten seiner Zeit in Anspruch nehmen.«
»Einen Augenblick.« Er ging zur Rezeption und telefonierte. Nachdem er wieder aufgelegt hatte, sagte er: »Mr. Maltin möchte nicht gestört werden.«
»Gestern konnten es ihm nicht genug Presseleute sein.«
»Ich kann Ihnen nur sagen, daß er nicht gestört werden möchte.«
»Rufen Sie ihn bitte noch einmal an. Wirklich, es ist wichtig. Ich habe Informationen über seine vermißte Frau.«
Der Mann zögerte.
»Wenn er erfährt, daß Sie ihm das nicht mitgeteilt haben, gibt es Ärger.«
»Einen Augenblick.« Er telefonierte abermals und wirkte irritiert, als er sich wieder an sie wandte. »Mr. Maltin wird Sie empfangen. Kommen Sie.«
Sie folgten ihm zu den Fahrstühlen. Nachdem sie eingestiegen waren, drückte er auf den Knopf für den neunundzwanzigsten Stock und fuhr mit hinauf.
Oben angekommen, wartete er, bis Holly am Apartment von Frederick Maltin klingelte. Erst als dieser die Tür öffnete, Holly und Buchanan mißtrauisch musterte und widerwillig zum Eintreten aufforderte, zog sich der Angestellte in den Lift zurück. Schnell, als würde er verfolgt, schloß Maltin die Tür und führte sie in einen riesigen, luxuriös ausgestatteten Raum, von wo man eine hinreißende Aussicht auf die Fifth Avenue im Süden und den gegenüberliegenden Central Park hatte.
»Ich weiß nicht, welche Informationen Sie angeblich über meine geschiedene Frau haben. Sie sind auch nicht mehr wichtig, denn ich habe gerade von ihr gehört.«
Buchanan mußte sich sehr zusammennehmen, um keine Fragen zu stellen. Es war – so schrieb es ja das Szenario vor – Hollys Szene, und sie wurde ihrer Rolle gerecht. »Da sind Sie gewiß erleichtert.«
»Natürlich, sehr.« Frederick Maltin war ein Mann zwischen vierzig und fünfzig, mittelgroß, weder schlank noch dick, mit schütterem graumelierten Haar. Er war teuer gekleidet, und es war unmöglich, die kostbaren Manschettenknöpfe und die diamantenbesetzte Cartier-Uhr zu übersehen.
»Sie baten um zehn Minuten, doch kann ich Ihnen soviel Zeit nicht opfern«, fuhr Maltin fort. Die dünne Stimme klang herrisch.
»Gewiß wollen Sie doch der Presse die gute Nachricht mitteilen«, sagte Holly. »Gestern gab es soviel Aufregung um Ihre Behauptung, daß ihr etwas geschehen sei.«
»Ja, in der Tat. Sie und andere Reporter möchten gewiß ihre Fans davon in Kenntnis setzen, daß sie wohlauf ist.«
Holly schien verwirrt. »Wie Sie das so sagen … Es hört sich ja fast so an, als hätten Sie die Medien noch nicht informiert.«
»Die Nachricht hat mich eben erst erreicht. Ich muß das erst verarbeiten. Sie können sich meine Erleichterung vorstellen.« Maltin zog ein burgunderrotes seidenes Taschentuch aus der Brusttasche des maßgeschneiderten blauen Zweireihers und wischte sich über die Stirn.
Von wegen erleichtert, dachte Buchanan.
»Was hat Ihre ehemalige Frau Ihnen mitgeteilt?« fragte Holly. »Wo hat sie sich in den letzten beiden Wochen aufgehalten?«
Maltin verzog keine Miene. »Im Ausland. Sie hat mir den Ort genannt, wünscht jedoch nicht, daß ich Genaueres bekanntgebe. Sie möchte noch eine Zeitlang wegbleiben, um Ruhe zu finden. Sie fürchtet, daß wieder einmal die Reporter über sie herfallen werden.«
»Nun, könnten Sie wenigstens andeuten, wo sie ist?«
»In Frankreich. Mehr will ich nicht sagen.«
»Wissen Sie, warum sie verschwunden ist?«
»Sie wollte eine Reise unternehmen. Ich war durch diese unseligen juristischen Verwicklungen enerviert und nahm irrtümlicherweise an, ihr müsse etwas Schreckliches zugestoßen sein.«
Buchanan sah sich aufmerksam um und hatte plötzlich einen schwachen Tabakgeruch in der Nase. Dabei stand nirgends in diesem gepflegten Raum ein Aschenbecher. Der Zigarettenrauch kam aus einem anderen Bereich des geräumigen Apartments.
»Ich muß Ihnen etwas gestehen«, fuhr Maltin fort. »Meine Reaktion war unangemessen heftig, weil Maria telefonisch für mich nicht zu erreichen war. Als sie vor wenigen Wochen ihre Wohnung verkaufte und sich in Luft aufzulösen schien, war ich wütend, denn sie hatte mich über ihre Absichten in Unkenntnis gelassen. Es schien mir unvorstellbar, daß sie so selbständig handeln konnte. Obwohl wir geschieden waren, machte ich mir die allergrößten Sorgen um sie. Ich bildete mir ein, daß sie Opfer eines Verbrechens geworden war.«
»Ja«,
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