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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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drehen ließ. Behutsam öffnete er, suchte an der Wand nach dem Schalter und machte Licht. Die von der Decke baumelnde Birne brannte im gleichen fahlen Gelb wie die Lampen im Gang. An den Wänden standen Metallregale mit Geräten und Ersatzteilen. Ein kleiner Schreibtisch aus rostigem Metall stand in eine Ecke gequetscht und darauf ein Telefon.
    Er schloß die Tür, verriegelte sie und hob den Hörer ab. Das Herz schlug ihm schneller, als er das Amtszeichen hörte. Fieberhaft wählte er eine Nummer.
    Eine Männerstimme – Buchanans Einsatzleiter. Er hatte eine Wohnung in dem zum Festland gehörenden Teil von Cancún gemietet, um in dieser Phase des Unternehmens in Buchanans Nähe zu sein. Im allgemeinen verständigten sie sich durch kodierte Mitteilungen, die sie in toten Briefkästen hinterließen. Wegen zu befürchtender elektronischer Lauschangriffe telefonierten sie selten miteinander und dann auch nur von bestimmten Telefonzellen. Solange Buchanan als verdeckter Ermittler arbeitete, hatten sie sich nie getroffen. Wenn Buchanan in Gefahr zu sein glaubte, stand ihm zu seinem Schutz für gewöhnlich ein Reserveteam zur Verfügung. Das krankhafte Mißtrauen der beiden Drogenbosse hatte sie jedoch veranlaßt, auf das Team zu verzichten. Schließlich hatte kein Grund zu der Annahme bestanden, daß das Treffen total schiefgehen könnte. Bis Big Bob Bailey aufkreuzte. Wenn Buchanan jetzt seinen Einsatzleiter verständigte, brauchte er sich um seine Tarnung keine Gedanken mehr zu machen.
    Konnte es noch schlimmer kommen? Und ob! Die mexikanische Polizei konnte ihn festnehmen, und dann wären seine Vorgesetzten ebenfalls in drei Morde verwickelt.
    »Ja«, sagte Buchanans Einsatzleiter.
    »Sind Sie es, Paul?«
    »Tut mir leid. Hier wohnt niemand, der so heißt.«
    »Ist dort nicht …« Buchanan nannte – langsam, zum Mitschreiben – Ziffer für Ziffer eine Telefonnummer.
    »Bedaure.«
    »Entschuldigen Sie.«
    Buchanan legte auf und rieb sich die schmerzende Stirn. Die von ihm durchgesagte Nummer war eine kodierte Mitteilung, die – vollständig übersetzt – etwa bedeutete: »Einsatz abbrechen, völliger Fehlschlag, verletzter Agent auf der Flucht, sofort aus dem Einsatzgebiet herausholen.« Wie vereinbart, würde sich der Einsatzleiter anderthalb Stunden nach Buchanans Anruf im Zentrum von Cancún vor einer Cantina mit ihm treffen. Wie jeder Plan, so war auch dieser durch Vorkehrungen für unvorhergesehene Ereignisse abgesichert und hatte mehrere Ersatzvarianten.
    In neunzig Minuten, dachte Buchanan. Ich muß zu dieser Kneipe. Ein Krampf in der rechten Hand lenkte ihn ab. Er sah hin, die Finger zuckten, als gehörten sie gar nicht zu ihm. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Der Schmerz im Schädel wurde heftiger, und auch die Schußverletzung tat verdammt weh. Etwas Warmes, Feuchtes sickerte durch das Handtuch.
    Plötzlich hallten Schritte durch den betonierten Gang und wurden lauter. Vor der Tür hörten sie auf. Buchanan begann zu schwitzen, als der Türknopf sich drehte. Wer immer da draußen stand, arbeitete wahrscheinlich im Hotel und besaß einen Schlüssel. Als die Tür nicht gleich aufging, drückte der andere kräftiger und stemmte schließlich die Schulter dagegen. Es half nichts.
    »Wer ist da drin?« fragte eine barsche Männerstimme auf spanisch. Dann wurde an die Tür gedonnert. »Aufmachen!«
    Wenn er einen Schlüssel bei sich hat, benutzt er ihn jetzt, dachte Buchanan. Warum will da einer mitten in der Nacht in diesen Raum? Jetzt waren langsame Schritte auf dem Gang zu hören. Es schien, als suche der Mann etwas.
    Buchanan schob sich leise neben die Tür, wo er das Licht löschen und den Mann packen konnte, sobald er eintrat. Ein Blick auf seine Füße und er wußte, der Mann suchte tatsächlich etwas. Buchanans durchnäßte Kleider hatten eine Spur im Gang hinterlassen.
    Nervös wartete Buchanan auf das metallische Geräusch des Schlüsselumdrehens, doch es gab nur noch ein paar hämmernde Schläge, noch einmal die ärgerliche Frage: »Wer ist da drin?« Dann war es still.
    Die Schritte entfernten sich, polterten durch den Gang und verloren sich auf der Treppe.
    Bevor er zurückkommt und Hilfe mitbringt, muß ich hier raus, dachte Buchanan. Er riegelte auf, öffnete die Tür, kontrollierte den Gang und wollte gerade gehen, als er auf einem Regal so etwas wie einen Stoffballen entdeckte. Er erwies sich als eine zerknitterte, schmutzige Arbeitsjacke und eine ramponierte Baseballmütze. Er riß

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