Der Mann mit den hundert Namen
benachrichtige die Polizei.«
»Ja, die Polizei – eine gute Idee. Vielleicht kriegt sie raus, was hier vorgeht und wer Sie sind. Die könnte mir helfen herauszubekommen, ob Sie ein unbescholtener, ehrlicher Bürger sind. Würde ihnen gern von den drei Drogenhändlern erzählen, die Sie in Mexiko umgelegt haben, und fragen, warum Sie wohl so viele verschiedene Namen benutzen.«
»Was soll ich noch tun, um Sie zu überzeugen …?«
»Zu überzeugen brauchen Sie mich überhaupt nicht. Zahlen Sie mir hunderttausend Dollar – das ist alles. Danach können Sie sich meinetwegen Napoleon nennen.«
»Sie haben mir offenbar nicht zugehört.«
»Alles, was ich hören will, ist: ›Hier ist das Geld.‹ Crawford – oder wer zum Teufel Sie sonst sind –, wenn Sie es nicht anders wollen, rufe ich gleich jetzt die Bullen an. Das schwöre ich Ihnen!«
»Wo sind Sie?«
»Sie erwarten doch nicht, daß ich das verrate. Wenn Sie die Kohle parat haben, erfahren Sie den Ort der Übergabe.«
»Wir müssen uns sprechen. Ich kann beweisen, daß Sie sich irren.«
»Und wie wollen Sie das anstellen, Kumpel? Mit Ehrenwort und solchem Kram?« Bailey lachte.
Und dieses Mal knallte er den Hörer auf.
9
Buchanan verspürte einen pochenden Schmerz im Kopf. »Ja, es ist schlimm«, sagte er zu Doyle.
Er durfte nicht vergessen, daß im Büro eine Wanze versteckt sein könnte. Bisher hatte er nichts Belastendes gesagt. Egal, wie er es Doyle erklärte, es mußte nur zur Geschichte von Victor Grant passen. »Es ist der Trottel, der mir in Mexiko so geschadet hat. Er glaubt, ich habe da unten drei Drogenhändler abgeknallt. Nun will er mich erpressen. Wenn ich nicht zahle, will er die Polizei informieren.«
Auch Doyle spielte seine Rolle gut. »Soll er es doch versuchen. Glaube nicht, daß die hiesigen Bullen sich darum scheren, was in Mexiko passiert. Der Kerl würde ein Eigentor schießen, denn Sie können ihn wegen Erpressung belangen.«
»So einfach ist das nicht.«
»Warum?«
Buchanan verspürte ein schmerzhaftes Ziehen in der Wunde, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. Das Telefon hatte geklingelt, kurz nachdem er und Doyle das Büro betreten hatten. Ob das bloßer Zufall war? Verdammt!
Buchanan rannte zum Vordereingang, riß die Tür auf und blickte in beide Richtungen die Straße hinunter. Eine Frau schleppte Lebensmittel zu einem Boot. Ein Auto fuhr vorbei. Ein Jogger trainierte. Zwei Bootsbauer luden eine Kiste von einem Lastwagen. Ein Kind auf einem Fahrrad guckte neugierig auf Buchanans Kopfverband.
Buchanan achtete nicht darauf und konzentrierte sich auf das Ende der Straße, den Zugang zum Strand. Dort stand ein großgewachsener Mann mit breiten Schultern und Bürstenschnitt – Bailey. Er stand vor einer Telefonzelle und beobachtete Doyles Haus.
Bailey hob grüßend den kräftigen rechten Arm. Als Buchanan auf ihn zurannte, stieg er grinsend in ein verschmutztes Auto und fuhr davon.
10
»Cindy?« Doyle eilte ins Haus.
Niemand war in der Küche.
»Cindy?«
Keine Antwort.
»Die Tür war abgeschlossen, aber ihr Auto steht da. Wohin sollte sie zu Fuß gehen? Warum …? Cindy?« Doyle suchte weiter.
Buchanan wartete in der Küche und spähte durch ein Seitenfenster auf Einfahrt und Straße.
»Cindy?« kam es aus einem Zimmer am Ende des Flurs.
Auf einmal wurde Doyles Stimme leiser. »Gott sei Dank! Entschuldige, Liebling, ich habe dich geweckt. Ich wußte nicht, daß du schläfst. Die Tür war abgeschlossen, und ich hatte Angst, daß etwas …« Doyles Stimme wurde noch leiser, Buchanan konnte nichts mehr verstehen.
Doyle kam in die Küche zurück und rieb sich, an den Kühlschrank gelehnt, die mageren Wangen.
»Geht es ihr gut?« fragte Buchanan.
Doyle schüttelte den Kopf. »Nachdem wir fort waren, hat sie ihren Lunch wieder rausgebracht. Sie fühlte sich ganz schlapp und hat sich hingelegt. Sie hat den ganzen Nachmittag geschlafen.«
»Haben Fremde angerufen oder sie hier belästigt?«
»Nein.«
»Warum war dann die Tür abgeschlossen?«
Doyle verwirrte die Frage. »Vermutlich hat sie es getan, um sich sicherer zu fühlen.«
»Schön, aber als wir ankamen, waren Sie überrascht, daß die Tür abgeschlossen war. Sie dachten, sie sei weggegangen. Das heißt doch, für gewöhnlich schließt sie die Tür nicht ab, wenn sie zu Hause ist.« Buchanan trat auf Doyle zu. »Nicht wahr, sie schließt die Tür ab, weil ich hier bin? Sie spürt, daß ich Gefahr bedeute. Und sie hat recht. Ich gehöre hier
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