Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
Vom Netzwerk:
erfuhr, hatte ein Reporter rausgekriegt, daß ich bei den SEALs war. Er kreuzte in unserer Wohnung auf und wollte von Cindy hören, wohin man mich geschickt hatte. Eine weniger entschlossene Frau wäre überrascht gewesen, von einem Journalisten mit Fragen überhäuft zu werden und von ihm zu erfahren, daß ihr Mann bei einer geheimen Einsatztruppe war. Es wäre eine verständliche Reaktion gewesen, wenn sieihre Überraschung gezeigt und ihn gefragt hätte, ob ich in großer Gefahr schwebte. Nein, nicht Cindy. Sie ließ ihn eiskalt auflaufen und behauptete, nicht zu wissen, wovon er rede. Andere Zeitungsschreiber meldeten sich, auch die fertigte sie kurzerhand ab. Ihre Antwort war immer die gleiche: ›Ich weiß nicht, wovon Sie reden.‹ Erstaunlich. Sie hat nicht einmal in meinem Büro angerufen, um zu erfahren, wo ich abgeblieben sei. Sie tat, als sei alles in Ordnung, von Montag bis Freitag ging sie zur Arbeit, und als ich schließlich zurückkam, gab sie mir einen langen, innigen Kuß und sagte, ich hätte ihr gefehlt. Nichts weiter.«
    Buchanan nickte, fragte sich aber weiterhin, was denn sonst, wenn nicht er, für den nervösen Zustand verantwortlich war.
    »Cindy hat Krebs«, sagte Doyle.
    Buchanan war fassungslos.
    »Leukämie.« Doyles Stimme klang verzerrt. »Sie trägt das Kopftuch, um den kahlen Kopf zu verbergen. Die Folgen der Chemotherapie.«
    Buchanan war wie gelähmt. Nun wußte er, warum Cindys Wangen zu glühen schienen, warum ihre Haut durchsichtig war. Die Medikamente und die psychische Belastung verliehen ihrer Haut diesen geradezu übernatürlichen ätherischen Schimmer.
    »Sie ist erst gestern, nach einer dreitägigen Routinebehandlung, aus dem Krankenhaus entlassen worden.«
    »Mein Gott, Sie haben doch wahrlich genug Sorgen. Warum haben Sie diesen Auftrag nicht abgelehnt? Meine Leitoffiziere hätten bestimmt jemand anderen gefunden, der mich unterschlüpfen läßt.«
    »Anscheinend nicht. Denn sonst hätten sie mich nicht gefragt.«
    »Haben Sie ihnen gesagt, daß …?«
    »Ja«, kam es bitter von Doyle. »Das hat sie nicht abgehalten. Egal, wieviel Cindy ahnt, sie darf nie erfahren, daß dies ein Auftrag ist. Trotzdem weiß sie es, ich bin ganz sicher. Und ebenso sicher, daß sie das mit Würde durchstehen will. Sie kommt dabei auf andere Gedanken …«
    »Was sagen ihre Ärzte? Schlägt die Behandlung an?«
    »Sie meinen, ob sie es schafft? Ich weiß es nicht. Die Ärzte ermutigen uns, legen sich jedoch nicht fest. Eine Woche geht’s ihr gut, die nächste schlecht. Aber wenn ich eine eindeutige Antwort geben sollte … Ja, ich glaube, sie wird sterben. Deshalb habe ich Sie gefragt, ob unser Auftrag sie in Gefahr bringt. Ich fürchte, ihr bleibt nur wenig Zeit. Es wäre unerträglich für mich, wenn sie vorzeitig an etwas anderem sterben würde. Ich würde verrückt werden.«

6
 
    »Wer hat Ihrer Meinung nach bei Ihnen angerufen und nach Victor Grant gefragt?«
    Doyle, der lange nachdenklich geschwiegen hatte, wandte sich wieder Buchanan zu. »Ich kann nur sagen, wer es nicht war. Nicht ihre Leitoffiziere. Sie sagten mir, sie würden nur um acht Uhr morgens, drei Uhr nachmittags oder zehn Uhr abends anrufen.«
    »Wenn es also nicht die Zentrale war … Außer der mexikanischen Polizei weiß niemand, daß ich Victor Grant heiße und in Fort Lauderdale als Bootsbauer arbeite.«
    Doyle schüttelte den Kopf. »Der Anrufer hatte keinen spanischen Akzent.«
    Buchanan konnte den Verdacht nicht loswerden, daß er hier nicht sicher war und daß sich die Situation verschlechtern würde.
    »Da Sie angeblich für mich arbeiten und über meinem Büro wohnen, sehen Sie sich dort am besten mal um«, schlug Doyle vor.
    Er bog von der Hauptstraße ab und hielt schließlich vor einem öden einstöckigen Hohlziegelbau. Er stand zusammen mit mehreren anderen von gleicher Art am Ufer eines Kanals, an dessen Kai Boote zur Reparatur festgemacht hatten.
    »Meine Werkstatt ist hinten. Manchmal bringen meine Kunden die Boote her, doch zumeist besuche ich sie.«
    »Was ist mit Ihrer Sekretärin?« fragte Buchanan mißtrauisch. »Sie weiß, daß ich nicht für Sie gearbeitet habe.«
    »Ich habe keine. Bis vor drei Monaten hat Cindy den Bürokram erledigt. Doch dann ging es nicht mehr … So konnte ich ihr sagen, daß Sie bei mir angefangen haben, nachdem sie aufgehört hat.«
    Buchanan tastete behutsam an seinem Kopfverband herum und begriff, wie sehr er damit auffiel. Er fühlte sich unbehaglich. Doyle schloß

Weitere Kostenlose Bücher