Der Mann mit der dunklen Maske
Stimme. Aber sie wollte diesem Mann nicht zeigen, dass sie in der Lage war, Furcht zu empfinden. In keiner Weise.
„Ich bin hier ganz zufrieden“, erklärte sie ihm.
Er betrachtete sie aufmerksam. Dann sagte er: „Gut. Ich werde den Hund hier lassen.“
„Wie bitte?“
„Ich verspreche Ihnen, kein Knacken oder Stöhnen wird Ihnen etwas anhaben können, solange Ajax Wache hält.“
„Ajax hasst mich“, erwiderte sie.
„Unsinn. Kommen Sie, streicheln Sie ihm mal über den Kopf.“
Sie starrte den Mann nur ungläubig an.
Sie war verblüfft, als sie merkte, dass er tatsächlich lächelte. „Sie haben Angst vor dem Hund?“
„Seien Sie nicht albern, Sir. Ich habe nur Respekt vor einem solchen Tier.“
„Kommen Sie. Sie haben nichts zu befürchten, wenn er weiß, dass er auf Sie aufpassen soll.“
Sie ging auf den riesigen Hund zu und bemühte sich, keinerlei Angst zu zeigen. Und doch schlug ihr das Herz bis zum Hals. Was weniger an dem Hund lag als an der Nähe zu dem Mann, der vor ihr stand.
Als sie näher kam, packte er ihre Hand. Nicht brutal, eher ungeduldig. Er legte sie auf den Kopf des Wolfshundes. Sofort wedelte das mächtige Tier mit dem Schwanz.
Sie spürte die Größe des Earl of Carlyle, seinen Körper, seine warme Berührung. Wie eine zusammengerollte Schlange schien er voller Energie, die nur darauf wartete, entfesselt zu werden. Es hatte etwas Hypnotisches an sich wie die Hitze eines Feuers. Camille trat zurück und starrte ihn an. „Ich fürchte mich wirklich nicht. Ich bin sicher, dass Ihr Hund …“
„Er mag Sie.“
„Wie nett“, murmelte sie.
„Ja, das ist er tatsächlich. Ein netter Hund. Und er kann Menschen sehr gut einschätzen. Ihrem Vormund gegenüber ist er übrigens sehr vorsichtig.“
Sie zwang sich zu einem Lächeln. Es fiel eher grimmig aus. „Wollen Sie mich daran erinnern, My Lord, dass wir Ihre Gefangenen sind? Dass wir … erpresst werden?“
Sie erwartete eine zornige Reaktion. Oder jedenfalls etwas anderes als ein trockenes, amüsiertes Lachen. „Vielleicht. Ich werde Ajax hier lassen und beruhigt schlafen, weil Sie in seiner Gegenwart in diesem Haus der Düsternis doch sicher und geborgen sein werden. Gute Nacht, Miss Montgomery.“
„Jetzt warten Sie mal“, begann Camille.
„Gute Nacht“, erwiderte er, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich in einer Weise, die keine weiteren Einwände zuließ.
Camille starrte ihm nach. Ungläubig und wütend. Hatte er den Hund zurückgelassen, weil er glaubte, dass sie irgendetwas im Schilde führte? Oder weil er glaubte, dass sie in Gefahr war? Wurde sie beschützt oder bewacht?
Ajax sah sie an, winselte und schlug mit dem Schwanz auf den Boden. Er tapste immer noch wedelnd zu ihr hinüber. Sie tätschelte seinen Kopf. Große Augen sahen zu ihr auf. In ihnen lag pure Anbetung.
„Du bist wirklich ein guter und hübscher Kerl“, erklärte sie ihm. „Warum knurrst du dann und guckst so spöttisch? Ist das alles Fassade?“ Eine Fassade. Wie die Maske, die sein Herr trug?
Plötzlich schien es, als würden die Lichter flackern, obwohl es keinen Windzug gegeben hatte. Tief aus seiner Kehle ließ Ajax einen warnenden Laut hören.
„Was ist los, mein Junge?“ flüsterte Camille. Sie fühlte sich plötzlich sehr unsicher. Die Statuen bewegten sich nicht. Der Raum war nach wie vor leer.
„Ich denke, mein Junge, ich werde jetzt meinen Brandy austrinken. Und ich muss zugeben, ich bin froh, dass du mir Gesellschaft leistest.“
Ajax glaubte ihr das offensichtlich. Als sie die Lampen herunterdrehte, sprang Ajax auf das Fußende des Bettes. Es war zum Glück groß. Camille war tatsächlich froh, einen Hund bei sich zu haben, der in der Nacht Wache hielt.
Am nächsten Morgen beglückwünschte sich Camille insgeheim, dass sie mit dem Tier Freundschaft geschlossen hatte. Jetzt konnte sie sich im Schloss bewegen, wie sie wollte.
Sie beabsichtigte, direkt zu Tristans Kammer zu laufen und mit ihm zu verschwinden, bevor sie dem Herrn des Hauses noch einmal ins Gesicht sehen musste. Wenn sie endlich erfuhr, was Tristan eigentlich getan hatte und was davon ruchbar geworden war, konnte sie leichter für ihn eintreten. Aber kaum hatte sie das Zimmer verlassen, da begrüßte sie der riesige Mann, der sie in der Nacht vom Tor abgeholt hatte. War er schon den ganzen Morgen im Flur gewesen? So schien es.
„My Lord erwartet Sie im Wintergarten“, verkündete der Mann mit düsterer Miene.
„Oh, was für eine
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