Der Mann mit der dunklen Maske
Überraschung“, murmelte Camille. „Bitte gehen Sie vor.“
Ajax trottete neben ihr her, als der Mann sie den Korridor entlangführte, dann über die Galerie im ersten Stock in den nächsten Flügel des weitläufigen Schlosses. Hier ging ein riesiger Raum in den nächsten über. Schließlich erreichten sie den großzügig verglasten Wintergarten. Die Morgensonne warf ihre hellen Strahlen auf den Marmorboden und auf die eleganten Tapeten.
Der Earl war schon da. Er saß nicht, er stand, die Hände auf dem Rücken verschränkt, an einem der hohen Fenster und sah hinaus in den großen Schlossgarten.
„Guten Morgen, Miss Montgomery“, sagte er und wandte sich ihr zu. Gerade wegen der Maske fiel ihr das Blau seiner durchdringenden Augen besonders auf.
„Konnten Sie nach der nächtlichen Störung noch gut schlafen?“ erkundigte er sich höflich, als wäre sie ein höchst willkommener Gast.
„Ich habe gut geschlafen, danke.“
„Und Ajax hat keinen Ärger gemacht?“
„Ajax ist lammfromm, genau wie Mrs. Prior gesagt hat.“
„Normalerweise ja“, stimmte er freundlich zu. „Sie müssen mit mir frühstücken, Miss Montgomery. Ich hoffe, wir haben etwas, das Ihren Geschmack trifft. Ein Omelett, Hafergrütze, Toast, Marmelade, Schinken, Fisch …?“
„Ich esse selten viel am Morgen, Lord Stirling, aber ich danke Ihnen sehr für Ihre großzügige Gastfreundschaft. Trotzdem möchte ich sie nicht ausnutzen.“
Er lächelte. Ziemlich grimmig, fand Camille.
„Gastfreundschaft wird hier schnell gewährt.“
„Zu schnell“, erwiderte sie scharf.
„Ich entschuldige mich für meinen Mangel an Manieren gestern Abend, aber Sie haben mich völlig überrascht. Sie arbeiten also für das Museum?“
Camille seufzte tief. „Ich besitze ein breites Fachwissen, das kann ich Ihnen versichern. Und, ja, ich arbeite für das Museum.“
Er ging hinüber zum Tisch, der mit einem schneeweißen Tischtuch und blitzendem Silber gedeckt war. Aus einem großen Kaffeebereiter schenkte er eine Tasse ein. „Tee, Miss Montgomery? Oder ziehen Sie Kaffee vor?“
„Tee wäre wunderbar, danke“, murmelte sie.
„Wie lange arbeiten Sie schon für das Museum?“ erkundigte er sich.
„Ungefähr sechs Monate.“
„Und Ihre Arbeit für das Museum hat nichts mit dem Auftauchen Ihres Vormunds hier zu tun?“ hakte er nach.
Seine Worte klangen höflich, aber die Frage war scharf. Er gefiel ihr besser, wenn er wütend war.
Sein freundlicher Ton und seine betont ruhige Art machten sie noch nervöser, als sie bereits war.
Camille nahm die Tasse Tee, die er ihr anbot, und setzte sich notgedrungen auf den Stuhl, den er für sie zurückzog. Er ließ sich neben ihr nieder. Sehr dicht, im rechten Winkel zu ihr. Seine Knie berührten fast ihre.
„Lord Stirling, ich versichere Ihnen, Tristan hat absolut nichts mit meiner Arbeit zu tun.“ Sie verschwieg, dass sie ihren Vormund sogar absichtlich vom Museum fern hielt. „Ich schwöre Ihnen, dass ich meine Position dort ausschließlich durch Wissen, Arbeit und Entschlossenheit bekommen habe. Allerdings fürchte ich jetzt, dass ich diese Anstellung verlieren werde“, fügte sie bitter hinzu. „Sir John hat keinerlei Verständnis für Säumigkeit.“
„Sir John?“
„Sir John Matthews. Er ist mein direkter Vorgesetzter.“
„Die Abteilung wird von David geführt, Lord Wimbly“, sagte er scharf.
„Ja, ja. Aber Lord Wimbly ist nur selten …“ Sie verkniff es sich zu sagen, dass der Mann nicht oft zur Arbeit erschien. „Er ist in vielen Funktionen tätig. Er arbeitet nur selten im Museum. Sir John kümmert sich um die tägliche Arbeit an den Ausstellungen. Er arbeitet eng mit zwei Männern zusammen, die selbst an vielen Ausgrabungen teilgenommen haben. Alex Mittleman und Aubrey Sizemore. Wenn ein neues Ausstellungsstück eintrifft, ist Lord Wimbly natürlich anwesend. Mit Sir Hunter MacDonald macht er all die Planungen. Sie wählen außerdem aus, was für die Galerien gekauft wird, und es liegt in ihrer Verantwortung, wer Gelder für Studien oder Expeditionen bekommt.“
„Und wo passen Sie da rein?“ wollte er wissen.
Sie errötete leicht. „Ich kann Hieroglyphen lesen. Und da ich diese Arbeit so liebe, habe ich auch die Geduld, mit Artefakten zu arbeiten.“
„Wie sind Sie zu der Anstellung gekommen?“ hakte er nach.
„Ich war einmal dort, als Sir John zufällig gerade allein arbeitete. Ich war gekommen, um mir ein paar Stücke aus dem Neuen Reich anzusehen, als
Weitere Kostenlose Bücher