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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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auf Erden gelangen.«
    »Das ist nicht christlich, sondern verdreht!« verwahrte sich Leo.
    »Die wahre Wirklichkeit sehen am Ende vielleicht doch nicht die Realisten, sondern die, welche nach innen schaun« meinte Klementine.
    »Ich lache!« behauptete Fischel. Aber er irrte sich, er weinte; innerlich, vor Unmacht, der geistigen Veränderungen in seiner Umgebung Herr zu werden.
    Direktor Fischel empfand jetzt öfter als früher das Bedürfnis nach frischer Luft; nach Schluß der Arbeit drängte es ihn nicht, nach Hause zu eilen, und wenn er noch bei Tag aus seinem Büro kam, liebte er es, sich ein wenig in einem der Stadtgärten herumzutreiben, obgleich es Winter war. Er hatte noch aus seiner Praktikantenzeit eine Vorliebe für diese Gärten. Aus einem Grund, den er nicht einsehen konnte, hatte die Stadtverwaltung im Spätherbst die eisernen Klappstühle darin neu anstreichen lassen; nun standen sie frischgrün, aneinander gelehnt auf den schneeweißen Wegen und erregten die Phantasie mit Frühlingsfarben. Leo Fischel ließ sich zuweilen auf einem solchen Stuhl nieder, ganz allein und eingemummt, am Rand eines Spielplatzes oder einer Promenade, und sah den Kinderfräulein zu, die sich mit ihren Pfleglingen in der Sonne ein Ansehen von Wintergesundheit gaben. Sie spielten Diavolo oder warfen kleine Schneeballen, und die kleinen Mädchen machten große Frauenaugen; – ach, – dachte Fischel – es sind gerade jene Augen, die im Antlitz einer erwachsenen schönen Frau den herrlichen Eindruck hervorrufen, daß sie Kinderaugen habe. Es tat ihm wohl, den kleinen spielenden Mädchen zuzusehen, in deren Augen die Liebe noch im Märchenteich schwamm, aus dem sie später der Storch holt; und zuweilen auch den Erzieherinnen. In seinen jungen Jahren hatte er oft diesen Anblick genossen, als er noch vor der Auslagenscheibe des Lebens stand und kein Geld besaß, um einzutreten, sondern nur darüber nachdenken durfte, was ihm sein Schicksal später bescheren würde. Es sei kläglich genug ausgefallen, fand er und glaubte einen Augenblick voll der Spannung der Jugend wieder zwischen weißem Krokus und grünem Gras zu sitzen. Kehrte danach sein Wirklichkeitsbewußtsein zu der Feststellung von Schnee und grünem Eisenlack zurück, so dachte er, merkwürdig genug, jedesmal an sein Einkommen; Geld gibt Unabhängigkeit, aber derzeit ging sein Gehalt ganz für die Bedürfnisse der Familie und die von der Vernunft geforderten Rücklagen auf; man müßte also wohl – überlegte er – neben seinem Dienst noch irgendetwas anderes tun, um sich unabhängig zu machen, vielleicht die Kenntnis der Börse ausnutzen, die man besitzt, so wie es die Hauptdirektoren taten. Solche Gedanken nahten Leo aber nur, wenn er den spielenden Mädchen zusah, und er wies sie zurück, weil er keineswegs das zur Spekulation nötige Temperament in sich fühlte. Er war Prokurist, trug bloß den Titel Direktor, hatte keine Aussicht, darüber hinauszukommen, und schüchterte sich sofort geflissentlich mit dem Gedanken ein, daß ein solcher armer Arbeitsrücken wie der seine schon zu gebückt sei, um sich frei aufzurichten. Er wußte nicht, daß er das bloß dachte, um zwischen sich und den schönen Kindern und Kinderfräulein, die in diesen Gartenaugenblicken die Stelle der Lebenslockung bei ihm vertraten, ein unübersteigliches Hindernis aufzurichten; denn er war, selbst in der mißmutigen Stimmung, die ihn abhielt, nach Hause zu gehn, ein unverbesserlicher Familienmensch und würde alles darum gegeben haben, wenn er bloß den Höllenkreis daheim in einen um Gottvater-Titulardirektor schwebenden Kreis von Engeln hätte verwandeln können.
    Auch Ulrich hatte die Gärten gern und kreuzte sie, wenn sein Weg es erlaubte; so kam es, daß er in dieser Zeit wieder mit Fischel zusammenstieß, und diesem fiel augenblicklich alles ein, was er wegen der Parallelaktion zu Hause schon erlitten hatte. Er äußerte sich unbefriedigt darüber, daß sein junger Freund die Einladungen seiner alten Freunde nicht besser schätze, was er sich um so viel ehrlicher einreden konnte, als auch flüchtige Freundschaften mit der Zeit ebenso zu alt en werden wie die lebhaftesten.
    Der alte junge Freund behauptete, daß es ihm wirklich die größte Freude bereite, Fischel wiederzusehn, und klagte über seine lächerliche Tätigkeit; die ihn bisher daran verhindert habe.
    Fischel klagte über schlechte Zeitentwicklung und schweres Geschäft. Überhaupt Lockerung der Moral. Es sei alles so

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