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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Einfluß auf die Parallelaktion durchkreuzen.«
    Graf Leinsdorfs Blick hatte jetzt etwas von der Ruhe eines Frosches und der Gereiztheit eines Stiers. Tuzzis Auge hob sich langsam und warm und heftete sich fragend an Ulrich. Arnheim lachte herzlich und stand auf; er hätte gewünscht, den Sektionschef höflich humoristisch ansehen zu können, um sich auf solche Weise wegen der ihnen gemeinsam zugemuteten Absurdität zu entschuldigen, aber da er seiner nicht habhaft werden konnte, wandte er sich an Diotima. Tuzzi hatte Ulrich inzwischen am Arm genommen und fragte ihn, wo er seine Neuigkeit her habe. Ulrich erwiderte, daß sie kein Geheimnis sei, sondern ein öffentlich verbreitetes und vielfach geglaubtes Gerücht, das er in einem Privathaus erfahren habe. Tuzzi näherte ihm sein Gesicht und zwang ihn, das seine aus dem Kreis zu beugen; so geschützt, flüsterte er ihm plötzlich zu: »Sie wissen noch immer nicht, warum Arnheim hier ist? Er ist ein intimer Freund von Fürst Mosjoutoff und Persona grata beim Zaren. Steht in Verbindung mit Rußland und soll die hiesige Aktion pazifistisch beeinflussen. Alles inoffiziell, sozusagen private Initiative der russischen Majestät. Ideologische Angelegenheit. Etwas für Sie, mein Freund!« schloß er spöttisch; »Leinsdorf hat keine Ahnung davon!«
    Sektionschef Tuzzi hatte diese Nachricht durch seinen amtlichen Apparat erfahren. Er glaubte sie, weil er Pazifismus für eine Bewegung hielt, die gut zu der Gesinnung einer schönen Frau paßte und es erklärte, daß Diotima von Arnheim entflammt war und Arnheim sich mehr in seinem Hause aufhielt als anderswo. Er war vorher nahe daran gewesen, eifersüchtig zu werden. Er hielt »geistige« Neigungen nur bis zu einem gewissen Grad für möglich, aber es widerstrebte ihm, listige Mittel anzuwenden, um herauszubekommen, ob dieser Grad noch gewahrt sei, darum hatte er sich gezwungen, seiner Frau zu vertrauen; aber wenn sich darin das Gefühl für eine männlich-vorbildliche Haltung auch stärker erwies als die Geschlechtsgefühle, so erregten diese immerhin noch genug Eifersucht in ihm, um ihm zum erstenmal klarzumachen, daß ein Mann mit Beruf niemals die Zeit hat, seine Frau zu überwachen, wenn er die Aufgaben seines Lebens nicht vernachlässigen will. Er sagte sich zwar, wenn schon ein Lokomotivführer keine Frau auf der Maschine haben dürfe, so dürfe noch viel weniger ein Mann, der ein Reich lenkt, eifersüchtig sein, aber die edle Unwissenheit, in der er auf diese Weise verblieb, paßte wieder nicht zur Diplomatie und raubte Tuzzi etwas von seiner beruflichen Sicherheit. Darum fand er sein volles Selbstvertrauen mit großer Dankbarkeit wieder, als sich alles, was ihn beunruhigte, harmlos aufzuklären schien. Nun kam es ihm sogar wie eine kleine Strafe für seine Frau vor, daß er alles von Arnheim schon wußte, während sie noch nichts als den Menschen in diesem sah und nicht ahnte, daß er ein Sendling des Zaren sei; Tuzzi bat sie wieder mit großem Vergnügen um kleine Aufklärungen, die sie gnädig-ungeduldig übernahm, und er hatte sich eine ganze Reihe von scheinbar harmlosen Fragen ausgedacht, aus deren Beantwortung er seine Schlüsse ziehen wollte. Gerne würde der Gatte auch dem »Vetter« einiges davon erzählt haben und erwog gerade, wie er es tun könne, ohne seine eigene Frau bloßzustellen, als Graf Leinsdorf die Leitung des Gesprächs wieder in die Hand nahm. Er war als einziger sitzen geblieben, und niemand hatte beobachtet, was in ihm vorgegangen war, seit sich die Schwierigkeiten gehäuft hatten. Sein Kämpferwille schien sich aber gesammelt zu haben, er drehte seinen Wallensteinbart und sagte langsam und fest: »Es muß etwas geschehn!«
    »Erlaucht haben einen Beschluß gefaßt?« fragte man ihn.
    »Es ist mir nichts eingefallen« erwiderte er schlicht; »aber trotzdem muß etwas geschehn!« Und saß da wie ein Mann, der sich nicht wegrühren wird, ehe sein Wille erfüllt ist.
    Es ging eine Kraft davon aus, so daß jeder die leere Anstrengung, etwas zu finden, in sich schlottern fühlte wie einen Pfennig, der sich in der Sparbüchse verloren hat und trotz allen Schüttelns nicht aus dem Schlitz heraus will.
    Arnheim sagte: »Ach, man darf sich doch nicht nach solchen Vorkommnissen richten!«
    Leinsdorf antwortete nicht.
    Es wurde noch einmal die ganze Geschichte der Vorschläge wiederholt, die der Parallelaktion einen Inhalt hätten geben sollen.
    Graf Leinsdorf antwortete darauf wie ein Pendel, das

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