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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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damit begnügte, Teilhaberin an den hohen Entzückungen ihrer Herrin zu sein, und ihr eigenes Liebesgeschäft betrieb, hatte sie sich sehr verändert. Sie log nicht nur, um ihre Zusammenkünfte mit Soliman zu decken, sondern sie riß auch beim Frisieren mit dem Kamm an Diotimas Haar, um sich für die Aufmerksamkeit zu rächen, mit der ihre Unschuld bewacht wurde. Am meisten aber ärgerte sie nun, was sie früher am höchsten begeistert hatte, daß sie die Hemden, Hosen und Strümpfe tragen mußte, die ihr Diotima schenkte, wenn sie ausgedient hatten; denn wenn sie auch das Weißzeug auf ein Drittel seines Umfangs zusammenschneiderte und gänzlich neu gestaltete, kam sie sich darin eingekerkert vor und fühlte das Joch der Sitte am nackten Leibe. Gerade das gab ihr aber diesmal den erfinderischen Gedanken ein, dessen sie in ihrer Lage Not hatte. Denn sie hatte Soliman ja schon früher von den Veränderungen erzählt, die sich an der Wäsche ihrer Herrin seit geraumer Zeit bemerken ließen, und brauchte sie ihm bloß zu zeigen, um eine Anknüpfung zu finden, die politisch dringend nötig war. »Du kannst daran sehen, wie schlecht sie sind« sagte sie, indem sie Soliman im Dunkel den weißen Mondlichtsaum ihrer Höschen sehen ließ, »und wenn sie etwas miteinander haben, so betrügen sie den Herrn sicher auch in der Geschichte mit dem Krieg, der bei uns vorbereitet wird!« Und als der Knabe vorsichtig die zarten und gefährlichen Hosen betastete, fügte sie etwas atemlos hinzu: »Ich wette, Soliman, daß deine Hosen so schwarz wie du sind; so hab ich es immer gehört!« Und Soliman grub beleidigt, aber sanft seine Nägel in ihr Bein, und Rachel mußte eine Bewegung zu ihm machen, um sich zu befrein, und mußte noch dies und jenes sagen oder tun, was keinen rechten Erfolg hatte, aber schließlich gebrauchte sie ihre spitzen kleinen Zähne und behandelte Solimans Gesicht, das sich kindisch an das ihre preßte und bei jeder Bewegung diesem knabenhaft von neuem in den Weg sprang, wie einen großen Apfel. Und da vergaß sie, sich dieser Anstrengungen, und Soliman vergaß, sich seiner Ungeschicklichkeit zu schämen, und durch das Dunkel sauste der schwebende Sturm der Liebe.
    Hart setzte er die Liebenden zur Erde, als er sie losließ; er verschwand durch die Wände, und das Dunkel zwischen ihnen war wie ein Stück Kohle, an dem sich die Sünder schwarz gemacht hatten. Sie wußten nicht, wie spät es sei, überschätzten die verflossene Zeit und fürchteten sich. Rachels zaghafter letzter Kuß schmeckte Soliman wie eine Belästigung; er wünschte Licht zu machen und benahm sich wie ein Einbrecher, der die Beute hat und nun alle Kräfte darauf richtet, gut davonzukommen. Rachel, die verschämt und schnell ihre Kleidung in Ordnung gebracht hatte, sah ihn mit einem Blick an, der kein Ziel und keinen Boden hatte. Über die Augen hing ihr das wirre Haar, und hinter den Augen begegneten ihr zum erstenmal wieder alle die weiten Bilder ihrer Ehrliebe, die sie bis zu diesem Augenblick vergessen hatte. Sie hatte sich außer allen möglichen eigenen Tugenden einen schönen, reichen und abenteuerlichen Geliebten gewünscht, und da stand Soliman, nicht sehr ordentlich angezogen, erschreckend häßlich, und sie glaubte von allem, was er ihr erzählt hatte, kein Wort. Vielleicht hätte sie sein dickes, gespanntes Gesicht im Dunkel ganz gerne noch eine Weile in ihren Armen gehalten, ehe sie sich voneinander lösten; aber nun, wo Licht brannte, war er ihr neuer Geliebter und weiter nichts, eingeschrumpft aus tausend Männern zu einem etwas lächerlichen kleinen Wicht und dem einen, der alle anderen ausschließt. Rachel aber war wieder ein Dienstmädchen, das sich verführen hatte lassen und sich nun sehr vor einem Kind fürchtete, durch das dies an den Tag käme. Sie war bloß zu eingeschüchtert von dieser Verwandlung, um zu seufzen. Sie half Soliman beim Ankleiden, denn der Junge hatte in der Verwirrung seinen engen Rock mit den vielen Knöpfen abgeworfen, aber sie half ihm nicht aus Zärtlichkeit, sondern damit sie rascher hinunterkämen. Es kam ihr alles furchtbar überzahlt vor, und eine Entdeckung wäre nicht zu ertragen gewesen. Immerhin, als sie fertig waren, drehte sich Soliman ihr zu und wieherte ein großartiges Lächeln, denn schließlich war er doch sehr stolz; und Rachel nahm rasch eine Streichholzschachtel an sich, löschte das Licht, schob leise den Riegel zurück, und ehe sie die Türe öffnete, flüsterte sie ihm zu: »Du

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