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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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kleinen Zusammenstoß nicht übel vermerkt, sondern der Teilnahme zugute gehalten haben, die ich Ihren Anschauungen entgegenbringe, auch wenn sie, was ja nicht selten geschieht, den meinen zu widersprechen scheinen. Dann darf ich Sie also fragen, ob Sie wirklich daran festhalten, daß – ich möchte es gerne zusammenfassend sagen: – daß man mit einem eingeschränkten Realgewissen leben soll? Drücke ich mich richtig aus?«
    Das Lächeln, womit Ulrich antwortete, sagte: ich weiß es nicht und warte ab, was du noch sagen wirst.
    »Sie haben von einem gleichsam in Schwebe zu lassenden Leben gesprochen, nach der Art von Gleichnissen, die unentschieden zwischen zwei Welten zu Hause sind? Sie haben außerdem zu Ihrer Frau Kusine verschiedenes gesagt, was außerordentlich fesselnd ist. Es wäre sehr kränkend für mich, wenn Sie mich etwa für einen preußischen Geschäfts-Militaristen hielten, der für derlei kein Verständnis hat. Aber Sie sagen zum Beispiel, es sei nur der gleichgültige Teil unser selbst, woraus unsere Wirklichkeit und Geschichte entstehe; ich verstehe das etwa so, daß man die Formen und Typen des Geschehens erneuern müßte und daß es bis dahin Ihrer Meinung nach einigermaßen gleichgültig sei, was gerade Hinz und Kunz widerfahre?«
    »Ich meine,« schaltete Ulrich vorsichtig und widerstrebend ein »es erinnert an einen Stoff, der in tausenden Ballen technisch sehr vollendet erzeugt wird, aber nach alten Mustern, um deren Entwicklung sich niemand kümmert.«
    »Mit anderen Worten,« fiel Arnheim ein »ich verstehe Ihre Behauptung so, daß der gegenwärtige, zweifellos unbefriedigende Weltzustand davon komme, daß die Führer glauben, Weltgeschichte machen zu müssen, statt alle Kraft des Menschen darauf zu richten, die Sphäre der Macht mit Ideen zu durchdringen. Man könnte es vielleicht noch richtiger mit einem Fabrikanten vergleichen, der darauf los produziert und sich nur nach dem Markt richtet, statt diesen zu regulieren! Sie sehen also, daß mich Ihre Gedanken sehr nahe berühren. Aber Sie müssen gerade deshalb verstehen, daß diese Gedanken auf mich, als einen Mann, der unaufhörlich Entscheidungen treffen muß, von denen ausgedehnte Betriebe in Bewegung erhalten werden, mitunter auch geradezu ungeheuerlich wirken! Zum Beispiel, wenn Sie eben den Verzicht auf die Realbedeutung unseres Tuns fordern; auf den ‚vorläufig definitiven‘ Charakter unserer Handlungen, wie unser Freund Leinsdorf so entzückend sagt, dessenungeachtet man wirklich nicht ganz darauf verzichten kann!«
    »Ich verlange gar nichts« sagte Ulrich.
    »Oh, Sie verlangen wohl mehr! Sie verlangen das Bewußtsein des Versuchs!« Arnheim sagte es mit Lebhaftigkeit und Wärme. »Die verantwortlichen Führer sollen daran glauben, daß sie nicht Geschichte zu machen, sondern Versuchsprotokolle auszufüllen haben, die weiteren Versuchen zur Grundlage dienen können! Ich bin entzückt von diesem Einfall; aber wie sieht es zum Beispiel mit Kriegen und Revolutionen aus? Kann man die Toten wieder aufwecken, wenn der Versuch durchgeführt ist und vom Arbeitsplan abgesetzt wird?!«
    Ulrich unterlag nun doch dem Reiz des Sprechens, der nicht viel anders zur Fortsetzung anstachelt wie der des Rauchens, und entgegnete, daß man wahrscheinlich alles, um es fördern zu können, in vollem Ernst anpacken müsse, auch wenn man wisse, daß fünfzig Jahre nach seiner Durchführung noch jeder Versuch der Mü he nicht wert war. Aber dieser ‚perforierte Ernst‘ sei auch sonst nichts Ungewöhnliches; man setze oft genug sein Leben im Spiel und für nichts ein. Psychologisch würde ein Leben auf Versuch also nichts Unmögliches bedeuten; was fehle, sei bloß der Wille, eine in gewissem Sinne unbegrenzte Verantwortung zu übernehmen. »Darin liegt der entscheidende Unterschied« schloß er. »Früher hat man gleichsam deduktiv empfunden, von bestimmten Voraussetzungen ausgehend, und diese Zeit ist vorbei; heute lebt man ohne leitende Idee, aber auch ohne das Verfahren einer bewußten Induktion, man versucht darauf los wie ein Affe!«
    »Ausgezeichnet!« gab Arnheim freiwillig zu. »Aber nun verzeihen Sie mir noch eine letzte Frage: Sie empfinden, wie mir Ihre Kusine wiederholt gesagt hat, lebhafte Teilnahme für einen krankhaft-gefährlichen Menschen. Ich verstehe das, nebenbei bemerkt, sehr gut. Auch gibt es noch kein rechtes Verfahren mit solchen Leuten, und das Verhalten der menschlichen Gesellschaft ist ihnen gegenüber schändlich

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