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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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lag ein leichter werbender Nachdruck selbst in dieser zurechtweisenden Bescheidenheit.
    »Verzeihen Sie« entgegnete Ulrich; »ich habe über Ihre Worte nachgedacht.« Und als täte er es noch, fügte er hinzu: »Ich würde gerne wissen, ob Sie es auch für eine zeitgemäße Indirektheit und Bewußtseinsteilung halten, wenn man der Seele einer Frau mystische Gefühle einflößt, während man es für das Vernünftigste hält, ihrem Gatten ihren Körper zu überlassen?«
    Arnheim verfärbte sich ein wenig bei diesen Worten, aber er verlor nicht die Beherrschung der Lage. Er erwiderte ruhig: »Ich weiß nicht mit Sicherheit, was Sie meinen. Aber wenn Sie von einer Frau sprechen würden, die Sie lieben, könnten Sie das nicht sagen, denn die Gestalt der Wirklichkeit ist immer reicher als die Linienführung der Grundsätze.« – Er war vom Fenster weggegangen und lud Ulrich zum Sitzen ein. »Sie geben sich nicht leicht gefangen!« fuhr er in einem Ton fort, der sowohl von Anerkennung wie von Bedauern etwas hatte – »Aber ich weiß, daß ich für Sie mehr ein feindliches Prinzip als einen persönlichen Gegner bedeute. Und die, welche für ihre Person die erbittertsten Gegner des Kapitalismus sind, sind im Geschäft nicht selten seine besten Diener; ich darf mich sogar ein wenig selbst dazu rechnen, sonst würde ich mir nicht erlauben, Ihnen das zu sagen. Unbedingte und leidenschaftliche Menschen sind, wenn sie einmal die Notwendigkeit eines Zugeständnisses eingesehen haben, gewöhnlich seine begabtesten Verfechter. Ich will darum meinen Vorsatz unter allen Umständen zu Ende führen und schlage Ihnen vor: Treten Sie in die Unternehmungen meiner Firma ein.«
    Er machte absichtlich nicht viel Aufhebens von diesem Vorschlag, im Gegenteil, er schien die billige Wirkung der Überraschung, deren er freilich sicher war, durch unbetontes und schnelles Sprechen mildern zu wollen; Ulrichs erstaunten Blick in keiner Weise erwidernd, zählte er nun gleichsam die Einzelheiten auf, die dann zu erledigen wären, wenn das einträte, wozu er im Augenblick keineswegs persönlich Stellung nehmen wolle. »Sie würden natürlich anfangs nicht die Ausbildung haben,« sagte er sanft »um eine leitende Stellung übernehmen zu können, und wahrscheinlich hätten Sie dazu auch noch gar nicht Lust; ich würde Ihnen darum eine Stellung an meiner Seite anbieten, nennen wir sie Generalsekretär, eine Stellung, die ich eigens für Sie schaffen möchte. Ich hoffe, daß ich Sie damit nicht beleidige, denn ich denke mir diesen Posten durchaus nicht mit einem bestechenden Gehalt ausgestattet; wohl aber sollten Sie in Ihrer Tätigkeit die Möglichkeit finden, sich mit der Zeit jedes Einkommen zu verschaffen, das Ihnen wünschenswert erscheint, und ich bin überzeugt, daß Sie mich nach Ablauf eines Jahres ganz anders verstehen werden als jetzt.«
    Als Arnheim diese Rede schloß, fühlte er doch, daß er erregt war. Eigentlich wunderte er sich in diesem Augenblick darüber, daß er Ulrich nun wirklich ein solches Angebot gemacht habe, durch dessen Zurückweisung er nur bloßgestellt werden konnte, ohne daß mit der Annahme ein erfreulicher Zweck verbunden war. Denn die Vorstellung, dieser vor ihm befindliche Mensch könnte zu etwas imstande sein, was er selbst nicht zuwegebringe, war im Verlauf des Gesprächs geschwunden, und das Bedürfnis, diesen Mann zu verführen und in seine Macht zu bringen, war unsinnig geworden, seitdem es sich Luft gemacht hatte. Daß er sich vor etwas gefürchtet hatte, was er dieses Mannes »Witz« nannte, erschien ihm unnatürlich. Er, Arnheim, war ein großer Herr, und für einen solchen hat das Leben einfach zu sein! Er verträgt sich mit allem anderen Großen, soweit ihm das erlaubt ist, lehnt sich nicht abenteuerlicherweise gegen alles auf und zieht nicht alles in Zweifel, das wäre gegen seine Natur; auf der anderen Seite aber gibt es natürlich die schönen und zweifelhaften Dinge, und man zieht so viel von ihnen heran, als es möglich ist. Noch nie glaubte Arnheim so stark wie in diesem Augenblick die Sicherheit der westlichen Kultur empfunden zu haben, die ein wundervolles Geflecht von Kräften und Hemmungen ist! Wenn Ulrich das nicht einsah, so war er nichts als ein Abenteurer, und daß er sich durch ihn beinahe zu dem Gedanken hatte verleiten lassen –: hier versagten aber Arnheim die Worte trotz ihrer stummen Verborgenheit; er brachte es nicht fertig, sich die Vorstellung deutlich ausgliedern zu lassen, daß er

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