Der Mann schlaeft
Menschen die Qualität ihrer Beziehungen überprüfen oder ob sie es überhaupt tun, ich konnte mit dem Mann funktionieren, ohne dass mir etwas peinlich war, konnte den Tag im Pyjama verbringen, im Bett mit Büchern, aus dem Fenster starrend, ohne dass unangenehme Momente entstanden wären.
Ich lief gerne mit ihm, meine Hand in seiner, ich schlief gerne neben ihm ein, und ich war glücklich, wenn es ihm gutging. Ich fühlte mich wie ein Teil eines etwas rundlichen Kinderpaares, das sich gegenseitig die Schuhe versteckte, Knoten in die Hemden machte oder mit toten Tieren auf der Schulter erschreckte. Mein Wohlbefinden war elementar. Es äußerte sich in lockeren Muskeln und geschmeidigem Fell.
Vielleicht gehen alle Paare so miteinander um. Ich hatte keine Ahnung. Ich konnte nur sehen, was sie mir zeigen, die Paare, an Feuerland-Kirschholztischen, mit Kleidung, die ihnen eine befremdliche Haltung aufzwingt, Vivaldi hörend und einander die Butterschale reichend. Kein Außenstehender kann wissen, was Paare verbindet, auf welche kindlichen Reflexe und Bedürfnisse, auf welche Neurosen sie reagieren, was steht es anderen zu, das zu beurteilen, wir wissen doch nicht mal selber, was wir da anstellen mit unserem Leben.
Es war ein neuer Morgen, der Jahrestag meines Einzugs in sein Haus, in dem ich, wie es Frauen meist gerne tun, alles geändert und eingerichtet hatte, sodass von seiner ursprünglichen Ausstrahlung kaum mehr etwas übrig war. Diese tief genetisch verwurzelte Sucht, es sich nett zu machen, kleine Vasen mit Blumen zu füllen, Beistelltische neben Betten zu rücken und Teppiche, auf denen gestickte Panzer rollen, vor die Toilette zu legen. Ich lebte den Drang zur Gestaltung des Heimes zum ersten Mal aus, da hatte sich einiges angestaut in den letzten dreißig Jahren. Freundlich, ruhig hatte der Mann mich zu Flohmärkten begleitet, in Designerläden und zu Teppichhändlern. Ohne verächtlich zu blicken, hatte er sein Auto mit Gerümpel vollgeladen, hatte die Ware in sein Haus geschleppt, wo ich glücklich umstellte, neu ordnete, putzte und Gardinen befestigte. Innerlich trug ich eine kleine weiße Schürze und ein Kopftuch, und immer schien Dalida zu singen. Meine Liebe wuchs durch die Großzügigkeit des Mannes, mit der er mich tun ließ, was ich wollte. Ich hielt es für die höchste Stufe der Entwicklung, zu der ein Mensch befähigt war, wenn er Großmut besaß und einen anderen nicht von seinem Lebensentwurf überzeugen musste. Diese Flexibilitätdes Geistes war selten. Nach der anfänglichen Überraschung, täglich einen Menschen neben sich zu sehen, der schlief und aß und atmete, war die Euphorie nun zu etwas geworden, was man empfinden mochte, wenn man jemandem beim Spielen zusah: eine leise lächelnde Freude, die den Mund immer halb geöffnet hielt.
Es machte mich sogar glücklich, mit dem Mann einkaufen zu gehen oder zu Behörden, zu Ärzten, es war wohl, was man gemeinhin unter: Das Leben ist zu zweit angenehmer verstand. Wenn wir abends im Garten vor dem Haus saßen und diesen Blick auf den See hatten, der ansonsten nur Millionären zustand, wenn wir lasen oder schlecht über Bekannte redeten, was wir mit großer Freude taten, und die Zeit wie ein warmer kleiner Niederschlag verging, dann wünschte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben, unsterblich zu sein.
Heute.
Abend.
Wir sitzen auf dem Dachgarten von Robs Haus, wobei der Begriff Garten für die Betonebene, die sich in keinerlei Zierat ergeht, reichlich hochtrabend scheint.
Wir haben nichts miteinander zu tun, außer den Fisch zu essen, den der Chinese zubereitet hat. Es ist eine unüberbrückbare Fremdheit zwischen uns, die schon wieder interessant sein könnte, interessierte sich nur einer dafür; einer dieser Momente, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie jemals vergehen.
Wie ein schwerer, alter Hund liegt unsere Geschichte neben uns am Boden.
Der Himmel ist absurd purpurn und zu weit entfernt, um uns wahrzunehmen.
Rob, der Chinese, und Ben, sein englischer Freund, halten sich ab und an bei den Händen, was etwas merkwürdig wirkt, da es nicht in die Bildschemata passt, in denen wir uns überwiegend aufhalten. Der Chinese ist vermutlich um die fünfzig, und seine Mimik verrät selbst dem unbegabtesten Gesichterleser, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Rob scheint nicht ganz zu Hause. Sein Blick zuckt ohne jeden von außen erkennbaren Grund in alle Richtungen, und das Gesicht wirkt ausgehöhlt und gelb.
Ben, sein Freund,
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