Der Mann schlaeft
nur entscheiden lässt.
Die Unterwelt war mir im Schlaf und Erwachen noch zu lebendig und die Erleichterung groß, wenn ich im Tag ankam. Im Haus war es ein wenig klamm, denn so elegant die Fenster aussahen, für weniger als achtzehn Grad taugten sie nicht, und der alte Steinboden war ohne entsprechende Steinbodenheizung unbegehbar. Das Haus schwamm in einem Meer, es war nichts zu sehen draußen außer Wasser und Grau, kein Oben, kein Unten. Ein Tag, gemacht, um schlechte Laune zu entwickeln, so lagen wir beide wach, unentschlossen, was wir mit den folgenden Stunden machen sollten, ehe wir wieder schlafen konnten und hoffen, dass es dann besser würde, wärmer, ein Ufer in Sichtweite. Es klopfte an der Tür, was ich um diese Zeit nur mit dem Ausbruch eines Nuklearkrieges, über den uns jemand informieren mochte, entschuldigt hätte. Eine Nachbarin drängte sich aufgeregt in unser Haus, sie hatte ein Problem mit irgendetwas und wollte, dass der Mann ihr half. Eine deutsche Frau, stämmig und ungefärbt, mit einer praktischen blonden Frisur und einem roten Gesicht, eine von der halbintelligenten Sorte, die unangenehmste. Selbstgerecht und immer ein wenig beleidigt. Von meiner früheren, naiven, unhinterfragten Solidarität mit Frauen war nicht mehr viel übrig. Gerade die Damen, die viel von ihrerEmanzipiertheit sprechen, sind von wirklicher Freiheit so weit entfernt wie der Regen draußen davon, sich in Sonnenschein aufzulösen. Wenn sie merken, dass es wirklich anstrengend ist, in eine Position zu gelangen, in der man die Welt minimal beeinflussen kann, entscheiden sie sich fast immer gegen die Verantwortung. Gegen die Machtkämpfe und Ungemütlichkeit, gegen die unglamouröse Forschung, die öde politische Arbeit, die unangenehme Aufgabe, Menschen zu entlassen, und werden schwanger oder machen etwas Kreatives, etwas mit Sprache, weil Frauen ja so gut reden können. Und dann sitzen sie in Cafés und quatschen über Rolfing und lesen Frauenzeitschriften, die von Frauen gemacht werden, die lieber dumme Sätze über anorektische Filmstars schreiben als echte Informationen oder Texte, die den Leser anstrengen, ihm eine Idee schenken. Dann kommen sie in die Wechseljahre und heißen Imke oder Claudia und fallen in hormonell bedingte Depressionen, ihr Leid schreiben sie aber den Männern zu, die sie am Fortkommen gehindert hätten. Und wenn sie die Wahl haben, dann nehmen sie immer einen erfolgreichen großen Partner, die Biologie, Sie wissen schon. Ohne nachzudenken, verraten sie all die Ideen, die ein paar wirklich freie Damen gehabt haben, die sich aufgemacht haben, um dafür zu kämpfen, damit sich nun ein neues Heer von faulen Weibern auf ihren halbverstandenen Ideologien ausruhte, von denen sie nur Überschriften zitieren. Ihr kleiner Verstand träumt von wilder Leidenschaft mit einem Cromagnon und der Ehe mit einem Mann, der morgens das Haus verlässt, das sie dann mit blütenweißen Gardinen und guterzogenen Kindern schmücken. Vermutlich bekommen die meisten genau das, was sie sich kraft ihres Geistes verdienthaben. Die Zeiten, in denen ich Menschen mochte, waren definitiv vorbei.
Der Mann hatte der stämmigen Frau natürlich geholfen, durchnässt kam er zurück, und wir tranken Kaffee im Bett. Meine Wut auf die Rasse, der ich angehörte, verschwand, denn ich hatte es kaum besser gemacht. Anstatt die Welt zu verändern, hatte ich mich auf die Unmöglichkeit dieser Aufgabe berufen und mich in Gemütlichkeit zurückgezogen, mit meinem kleinen Beruf, den kleinen Freunden, den kleinen Möbeln. Da konnte ich fein ruhig sein, und das war ich dann auch. Ich weiß nicht, wieso es uns beiden gelang, den anderen nie für die eigenen Unfähigkeiten bestrafen zu wollen, oder warum mich nichts an dem Mann wirklich störte, vermutlich hatte ich das Glück, meine eigene Unzulänglichkeit und die jedes anderen wirklich begriffen zu haben. Ich konnte mich in hohem Maße daran erfreuen, dass wir nichts aneinander zu ändern versuchten und auch seltsame Vorlieben des anderen mit Wohlgefallen beobachteten. Gerade wenn er für mich ungewohnten Vorlieben nachging – er aß rauschhaft, sein Ordnungsverständnis war anders entwickelt als das meine, er war unfähig, mit anderen Menschen höflich zu plaudern –, fanden diese chemischen Prozesse statt, die Mütter haben, wenn sie ihre Kinder ansehen. Ich hatte immer Mühe mit dem Begriff Liebe, er war mir zu ungenau und zu oft in Zusammenhängen gebraucht, die mich nicht interessierten.
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