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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Telefon.
    Als sie zurückkam, grinste Samuel. »Und, was fehlt mir?«
    »Magenverstimmung. Komm, laß uns eine Radtour machen!«
    »Oh, super«, freute sich Samuel und warf ihr die Arme um den Hals.
    Kate wurde ganz warm vor Zärtlichkeit.
    Sie hatte bisher zuviel an sich gedacht und zuwenig an ihr Kind. Das würde jetzt anders werden, nahm sie sich vor.
    Während sie über sonnige Feldwege und durch kühle Waldstücke strampelten, sprachen Kate und Samuel das erste Mal seit ihrer Ankunft richtig miteinander. Samuel gestand, daß er es hier draußen gar nicht so übel fände. Aber er litt unter dem Gefühl der Einsamkeit, bekam keinen Kontakt zu den Kindern im Dorf.
    »Ich kann ja nicht mal richtig Bayerisch«, klagte er.
    »Die lachen mich immer aus.«
    »Das wird schon«, tröstete ihn Kate. »Vertrag dich doch endlich mit Simon. Der ist so alt wie du und wohnt direkt neben uns.«
    »Der mein Fahrrad klauen wollte?« fragte Samuel empört.
    »Ach was. Wahrscheinlich wollte er’s wirklich nur anschauen. Ich finde, er sieht nett aus.«
    Samuel schwieg eine Weile.
    »Ich trau’ mich aber nicht«, sagte er dann leise, und Kate bedauerte, daß sich das Hoppla-jetzt-komm-ich-Gen seines Vaters bei ihm nicht durchgesetzt hatte.
     
    Seit dem Abend bei Malise hatte Kate keine der Frauen wiedergesehen. Sie hatte immer mal Ausschau nach ihnen gehalten – beim Einkaufen, beim Spazierengehen, beim Laufen –, aber durch einen merkwürdigen Zufall waren sie verschwunden geblieben. Nur Malise hatte sie mal bei der Gartenarbeit entdeckt, aber die hatte so getan, als bemerke sie Kate nicht.
    Kate hatte inzwischen einiges über die Frauen erfahren. So zum Beispiel, daß Rita und Inge ebenfalls Zugereiste waren, Malise hingegen aus der Gegend stammte. Über Malise wurde am meisten getuschelt.
    Daß sie Männer vernasche wie andere Frauen Pralinen. Daß sie irgendwelche spiritistischen Spinnereien betreibe, statt in die Kirche zu gehen. Von Voodoo und Hexerei wurde gemunkelt und davon, daß sie vielleicht schlicht nicht alle Tassen im Schrank habe.
    Über Rita war nicht viel bekannt; nur, daß sie eine etwas zweifelhafte Vergangenheit habe. Sogar im Knast sei sie schon gewesen, aber Genaueres wußte man nicht.
    Von Inge erzählte man sich, sie habe eine höhere Position bei einem Pharmazieunternehmen bekleidet. Eine richtige Karrierefrau sei sie gewesen. Vielleicht sei ihr deshalb der Mann weggelaufen.
    Kate hörte sich den Klatsch amüsiert an; sie vermutete, daß man, um der Wahrheit nahezukommen, mindestens die Hälfte abziehen müßte. Am besten von den dreien hatte ihr Inge gefallen; mit ihr hätte sie die Bekanntschaft gerne fortgesetzt. Eines Tages kam ihr dann der Zufall zu Hilfe.
     
    Ein hagerer alter Mann lief aufgeregt auf Kate zu.
     
    »Haben Sie meine Frau gesehen?«
    »Ihre Frau?« Kate schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Nein, ich habe niemanden gesehen.«
    Das Zusammentreffen fand auf der Straße vor dem Haus statt; Kate war gerade von ihrem Morgenlauf zurückgekommen, die Sonne brannte schon mit ziemlicher Kraft, obwohl es erst kurz nach neun war. Ratlos hob der Mann, der trotz der Hitze einen Hut trug, die Arme und ließ sie wieder fallen.
    »Vielleicht ist sie schnell zum Einkaufen?« schlug Kate vor.
    »Nein, nein, das Einkaufen übernehme meistens ich, wissen Sie, meine Frau hat ein Hüftleiden, ich muß ihr helfen.«
    »Aber weit kann sie doch nicht sein«, tröstete Kate den aufgelösten Mann. »Hier im Dorf geht doch niemand verloren.«
    Sein Gesicht zeigte den Ausdruck höchster Not.
    »Was soll ich denn jetzt machen? Wir haben gerade erst geheiratet!«
    »Sie haben gerade geheiratet?« Kate verstand gar nichts mehr.
    »Ja, im letzten Jahr, Sommer vierundvierzig.« Sein Gesicht entspannte sich. »Es war eine wunderbare Hochzeit, mit einer Kutsche sind wir zur Kirche gefahren, und so schön hat sie ausgesehen, meine Hilde! Einen Schweinsbraten hat es zum Essen gegeben, und hinterher bayerische Creme.«
    Kate hatte dem alten Herrn so fasziniert gelauscht, daß sie nicht bemerkte, wie Inge zu ihnen trat.
    »So, Vater, jetzt kommst du mit, jetzt gehen wir wieder heim«, sagte sie und nahm seinen Arm.
    Zu Kate gewandt fragte sie: »Hat er wieder nach seiner Frau gesucht?«
    Kate nickte.
    »Sie ist schon seit acht Jahren tot. Seither …« Sie machte eine Handbewegung vor dem Gesicht, die seine Verwirrung andeuten sollte.
    Kate lächelte und gab dem alten Herrn die Hand.
    »Ich heiße Kate. Es war nett, Sie

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