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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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an.
    Kates Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an.
    »Ich kann dazu nichts sagen.«
    Sie betrachtete die zwei gezeichneten Elefanten, die hintereinander über das Papier spazierten, wobei der hintere Elefant mit dem Rüssel den Schwanz des vorderen festhielt.
    Lander schwieg. Er hatte sich zurückgelehnt und fächelte sich mit seinem Strohhut Luft zu. Gelassen beobachtete er Kate und schien alle Zeit der Welt zu haben.
    »Hätte sie eine Überlebenschance gehabt, wenn … wenn man sie früher gefunden hätte?« fragte Kate schließlich leise.
    Lander wiegte den Kopf. »Schwer zu sagen. Über zwanzig Messerstiche in den Unterleib, das reinste Massaker.« Seine Stimme klang bitter.
    »Wurde sie auch …«, begann Kate, aber sie brachte den Satz nicht zu Ende.
    Lander verstand trotzdem. »Vergewaltigt? Kann man wohl sagen.« Er stand abrupt auf.
    »Wenn Ihnen eine Erklärung für die Zeitdifferenz einfällt, können Sie mich jederzeit anrufen.«
    Er legte eine Visitenkarte auf den Tisch.
    »Haben Sie schon eine Ahnung, wer es war?« wiederholte Kate ihre Frage vom Anfang des Gesprächs.
    »Nicht direkt. Aber es deutet alles darauf hin, daß der Täter sein Opfer gekannt hat.«
    Er drückte ihr wieder die Hand, schenkte ihr einen langen, nachdenklichen Blick und verließ den Garten.
     
    Der Schock hat ihre Gedanken gelähmt. Was soll sie machen? Weglaufen und die Polizei informieren? Dableiben und Erste Hilfe leisten?
    Ein leichter Schwindel ergreift sie. Mit aller Kraft kämpft sie dagegen an. Zögernd nähert sie sich der blutüberströmten Gestalt am Boden. Kein Lebenszeichen. Die Frau rührt sich nicht.
    Ich muß ihr den Puls fühlen, ist der erste klare Gedanke, den Kate fassen kann. Sie geht in die Hocke und berührt vorsichtig das Handgelenk der Verletzten. Dann zuckt sie zurück. Nein, lieber Hilfe holen.
    Langsam richtet sie sich auf. Tak-tarak-tak-tarak. Ihr Herz rast, der Schwindel wird stärker. Sie will den ersten Schritt machen, da spürt sie, wie etwas ihren Fuß berührt. Erschrocken schreit Kate auf und macht einen Satz zur Seite. Die Frau hat den Kopf ein kleines Stück gedreht und versucht zu sprechen. Die Lippen bewegen sich, aber kein Ton ist zu hören. Kate beugt sich hinab, richtet ihre ganze Aufmerksamkeit auf das verzweifelte Bemühen der Verletzten. Da krümmt sich die Frau plötzlich, ein Schwall von Blut kommt aus ihrem Mund.
    Entsetzt weicht Kate zurück. Der Schwindel kommt jetzt mit voller Wucht und reißt sie in seinen dunklen Abgrund.
    Als sie wieder zu sich kommt, kriecht sie auf allen vieren zurück zu der Frau, die unverändert daliegt. Nein, nicht ganz unverändert. Ihr Kopf ist zur Seite gefallen, die Augen blicken starr.
    Kate schaut auf die Uhr. Zwanzig Minuten. Zwanzig wertvolle Minuten, in denen sie hätte Hilfe holen können. Ich bin schuld, hämmert es in ihrem Kopf.
    ICH BIN SCHULD AN IHREM TOD.
     
    Samuels Stimme holte sie zurück in die Wirklichkeit.
     
    »Hallo, Mam, bin wieder da!«
    »Sammy!«
    Erleichtert sprang sie auf und lief ihm entgegen.
    Hinter ihm kam Bernd in den Garten geschlendert. Kate zuckte leicht zusammen und verlangsamte ihren Schritt. Jetzt nur keine Schwäche zeigen!, befahl sie sich.
    Es war das erste Mal seit dem Scheidungstermin, daß sie ihm gegenüberstand. Es berührte sie merkwürdig, ihn hier zu sehen, auf ihrem Territorium.
    Er kam lächelnd auf sie zu, lässig und unbeschwert.
    Die Füße in Turnschuhen, den Kopf in den Wolken. Das Leben war ein saftiger Braten, es kam nur darauf an, sich ein möglichst großes Stück zu sichern. Sein ständiger Optimismus konnte einen in die Depression treiben.
    »Hallo, Katie.«
    Jungenhaftes Grinsen der Marke Bin-ich-nicht-unwiderstehlich?
    »Hallo, Bernd.«
    »Wie geht’s, kommst du klar?«
    Tak-tarak. Blöde Frage.
    »Danke, bestens. Kein Mann ist schließlich besser als der falsche!« sagte sie, honigsüß lächelnd.
    Die Verlegenheit war ihm anzusehen.
    »Äh … also, ich muß dann wieder, macht’s gut, ihr beiden.«
    Er trat den Rückzug an, im Vorbeigehen strich er Samuel linkisch übers Haar. Er warf einen abschätzigen Blick auf das Haus und flüchtete auf die Straße, wo aufreizend sein roter Porsche stand.
    Kate kniff die Augen zusammen. Saß da nicht jemand auf dem Beifahrersitz?
    Als Bernd außer Hörweite war, fragte Kate: »War sie dabei?«
    Samuel nickte und lief rot an wie ein Kind, das beim Klauen ertappt worden ist.
    »Und, ist sie nett?«
    Samuel nickte wieder. »Ja, sie ist

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