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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Leere, eine häßliche Scharte verunzierte das Holz. Aufgebracht feuerte sie das verdorbene Stück in die Ecke.
    »Schau her, was du angerichtet hast! Das war die Arbeit von drei Stunden!« schrie sie.
    »Tut mir leid, Mam«, murmelte der Junge und wich erschrocken zurück.
    Im gleichen Moment bedauerte Kate ihren Ausbruch. Sie streckte die Hand aus.
    »Komm her! Was hast du denn da?«
    Samuel kam zögernd näher. Er hielt etwas auf dem Arm. Kate sah genauer hin. Es war eine kleine, rauchgraue Katze.
    »Die ist aber hübsch! Woher hast du sie?«
    Kate strich mit zwei Fingern über das winzige Köpfchen; die Katze streckte sich und gähnte, was ungemein putzig aussah.
    »Einer von den Bauernjungen hat sie mir gegeben. Er hat gesagt, sie haben sechs und wenn keiner sie nimmt, ersäuft er sie im Waldweiher.«
    Kate sah ihn erschrocken an. »Das ist ja schrecklich! Möchtest du sie behalten?«
    Ein heftiges Nicken, ein Lächeln in seinem Gesicht.
    »Wenn ich darf?«
    Sie strich ihm übers Haar. »Natürlich darfst du.«
    »Ich nenne ihn Bobitt.«
    »Bist du sicher, daß es ein Kater ist?«
    »Der Junge hat gesagt: ’s ist a Bua.«
    Mühsam bildete Samuel die bayerischen Silben nach. Kate lachte auf und nahm sein Gesicht in die Hände.
    »Junger Mann, haben wir uns heute schon geküßt?«
    Ein Sonnenstrahl, der ihr Gesicht kitzelte, ein feuchter Kinderkuß, ein kurzer Moment des Angekommenseins.
    »Aaaah, OOOooh, ja, oh ja …« Es war ein Uhr morgens, Kate hockte wach im Bett, durch das weit geöffnete Fenster drang lautes Stöhnen. Es kam eindeutig aus dem Nachbarhaus, genauer gesagt aus Malises Schlafzimmer. Halb amüsiert, halb genervt lauschte sie den Geräuschen, die mal lauter wurden, dann wieder abebbten. Sie stellte sich vor, was Malise und ihr unbekannter Liebhaber trieben, und der Gedanke erregte sie.
    Plötzlich fielen ihr Bernd und Ramona ein.
    Abrupt stand sie auf und stellte sich ans Fenster, um die kühle Nachtluft einzuatmen. Die Erregung wich der Wut. Sex war einfach Scheiße. Machte nur Ärger und zerstörte alles. Hoffentlich hatte Inge recht und der Wunsch danach verschwand mit dem Alter.
    Das Gestöhn schwoll an und steuerte offensichtlich seinem Höhepunkt zu. Plötzlich zerriß eine wütende Männerstimme die Nacht: »Ruhe, verdammt noch mal, sonst rufe ich die Polizei!«
    Es war Mattuschek, der im Schlafanzug auf dem Balkon stand und brüllte. Kurz darauf erschien Malise am Fenster, sie war nackt, ihr Haar zerwühlt. »Halt die Klappe, du Scheißer«, sagte sie mit schneidender Stimme.
    Kate wich ein Stück zurück. Aber Mattuschek hatte sie schon entdeckt und rief rüber: »Sagen Sie mal was, Frau Moor, das ist doch eine Zumutung!«
    Kate fand, daß seine indiskrete Brüllerei die weitaus größere Zumutung war, und sagte kühl: »Nur kein Neid, wer hat, der hat.«
    Sie hörte Malises höhnisches Gelächter und das Zuknallen von Mattuscheks Balkontür.
    Kate fühlte sich wie erschlagen am anderen Morgen, aber darin unterschied dieser Morgen sich nicht von anderen. Die Schlaflosigkeit machte ihr weiterhin zu schaffen, sie traute sich aber nicht, Nacht für Nacht Tabletten zu nehmen.
    So taumelte sie benommen durch den Tag, arbeitete weiter an ihrer Auftrags-Flöte und kämpfte gegen die Müdigkeit an.
    Als sie zwischendurch die Werkstatt verließ, um sich neuen Kaffee zu holen, hörte sie einen leisen Pfiff aus dem Nachbargarten. Dort stand Malise. Ihre silberne Kette blitzte in der Sonne.
    »Du mußt mir helfen«, sagte sie. Kein »Bitte«, kein »Könntest du vielleicht?«. Ein Befehl.
    In Kate stieg Ärger hoch. Was bildete sich diese Person eigentlich ein? Gleichzeitig wurde sie neugierig.
    Nach kurzem Zögern ging sie auf die Straße, umrundete ihr Grundstück und betrat den Garten ihrer Nachbarin.
    Malise winkte sie über die Terrasse ins Wohnzimmer.
    Kate folgte ihr, dann hielt sie den Atem an. Es war, als hätte sie mit einem Schritt eine völlig fremde Welt betreten.
    Die Wände waren erdfarben gespachtelt, überall hingen Masken und Speere, der Boden war mit Bastmatten und gewebten Teppichen bedeckt. Der Raum war kaum möbliert; die wenigen Stücke waren allesamt nicht europäischen Ursprungs. Sie sah keinen einzigen normalen Stuhl oder irgend etwas, das man in einem deutschen Einrichtungshaus hätte erwerben können. Wären die Wände nicht so regelmäßig gewesen, Kate hätte sich im Inneren einer afrikanischen Lehmhütte gewähnt.
    »Das ist ja phantastisch! Woher kommen all diese

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