Der Mann von Oros - Teil 2
seiner jetzigen Erscheinungsform erschüttert und zutiefst deprimiert.
Es gab nichts, was der Mann von Oros nicht gewußt hätte. Keine einzige Erinnerung des Ramsay Eltron war seinem tastenden Metabolismus entgangen. Er spielte nicht dessen Rolle, er war es. Diese Frau war ihm in keiner Hinsicht rätselhaft oder gar unbekannt. Es war seine Frau, und doch war sie so unendlich fremd.
Sein verstecktes Ich wand sich in den Qualen klarer Erkenntnisse, die im Charakteristikum seiner Rasse für alle Zeiten verankert und gefestigt waren. Er hatte getötet, aber er hatte töten müssen. Er war aufgegangen in das körperliche und seelische Dasein eines Mannes, der einer von fünf Millionen war.
Jede einzelne Zelle seines verborgenen Daseins sträubte sich gegen die Überlegungen und Gefühle, die in dem imitierten Körper des Menschen aufflammten. Jeden hatte er täuschen können! Sogar der Serumtest war nach seinem Willen verlaufen, und die Besatzung der „Regulus“ hatte sich seinen Befehlen gebeugt. Zweifellos konnte sein metabolisches Sein auch diese Frau täuschen, da es ja nichts gab, was an ihm nicht natürlich gewesen wäre. Dennoch fühlte er in banger Vorahnung, daß er vor diesem Problem versagen und wahrscheinlich kapitulieren mußte.
Sie war blaß. Wie erstarrt stand sie vor dem großen Mann, den sie infolge seiner ironisch-überlegenen Art einmal zu hassen glaubte. Das war vor 73 Monaten gewesen, als er mit herrischen Schritten die Zubringerrakete betreten hatte.
Niemand wußte besser als sie, daß die Zeit einen jeden Menschen und jedes Gefühl wandeln kann. Sie fühlte nur, daß dieser Mann ihr gehörte, an sie gebunden war mit einem Vertrag nach dem neuen Ehegesetz von 2085.
Aber da war mehr als ein Vertrag. Es waren die Erinnerungen und spontan aufwallenden Gefühle einer einsam gewordenen Frau, die in ihrer Reife plötzlich erkannte, daß ein überragender Geist vielleicht arrogant sein muß.
„Ramy … was ist denn?“ kam es leise über ihre bebenden Lippen.
In seinem Bewußtsein vibrierte alles, als er diesen Kosenamen hörte. Er nahm auch die überströmenden Gefühle der schönen Frau wahr. Aus den Erinnerungen des Menschen Eltron wußte er, daß sich dieser Mann nicht geliebt glaubte. Sein tastender Sinn erkannte aber, daß ihre Geistesimpulse keineswegs haßgeschwängert waren. Sie erwartete etwas, worüber sie sich selbst nicht klar war. Erstmalig seit seiner Verwandlung ahnte der Fremde nicht, was Eltron nun in dieser Lage getan hätte.
Hinter sich wußte er einen Offizier des Raumsicherheitsdienstes. Commander Shonert hatte wachsame Augen und einen gewissen Instinkt, der gefährlich werden konnte.
Der Mann von Oros handelte so, wie es ihm sein nachempfundenes menschliches Gefühl eingab. Immer hatte er es abgelehnt, den harten und unpersönlichen Kommandanten spielen zu müssen.
So schlich ein ungewisses Lächeln auf seine Lippen. Während das seltsame Feuer in den grauen Augen sich zu dämpfen schien, sagte er rauh und hastig:
„Altry, ich möchte dir sagen, daß du schön bist.“
Sie lächelte plötzlich bei dieser gestammelt und unbeholfen wirkenden Erklärung. Er fühlte die junge Frau in seinen Armen, und er spürte den warmen Hauch ihres Atems an seiner Wange.
„Ich bin so froh, daß du wieder da bist“, sagte sie einfach. Es erschien ihr unnötig, mehr Worte zu gebrauchen, die doch nicht das ausgedrückt hätten, was sie augenblicklich empfand.
Eltron zitterte. So unbeholfen wie nie zuvor umklammerte er ihre Schultern, ehe er beinahe verlegen lächelnd meinte:
„Altry, ich glaube, du solltest dich nicht so fest auf mich stützen. Die irdische Schwerkraft ist nach der langen Zeit unter den geringfügigen …“ Er unterbrach sich, da er direkt in ihre lachenden Augen sah.
„Ich bin noch immer vergeßlich. Natürlich muß es dir schwerfallen. Mir fällt es aber noch viel schwerer, zu glauben, daß du diese ganz natürliche Tatsache zugegeben hast.“
Seine eben noch ungewiß sprechenden Lippen bildeten plötzlich einen schmalen Strich. Die Stimme klang kalt, hart und unpersönlich, als er herumfahrend sagte:
„Commander Shonert, ich kann mich nicht erinnern, Ihnen die Erlaubnis zu einem undisziplinierten Grinsen gegeben zu haben. Außerdem stelle ich fest, daß die Situation durchaus nicht dafür geschaffen ist, derart alberne Mundbewegungen auszuführen. Was wollen Sie hier überhaupt noch? Den Wachhund spielen? Ich möchte endlich einmal allein sein. Falls Ihnen
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