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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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Platz einnehmen und als Ziel den Gadodia Market gleich hinter Khari Baoli angeben. Ehe die Rikscha sich in Bewegung setzt, würde sein Kontaktmann herantreten und fragen, ob er in die Nähe des Rathauses will. Dhar würde das bestätigen, und zusammen würden sie in der Rikscha durch die Nebenstraßen von Chandni Chowk fahren, während man ihn über die Einzelheiten des abendlichen Programms in Kenntnis setzen würde.
    Dhar gefiel der Plan, denn die lauten Menschenmassen boten gute Deckung, und in dem Gedränge würde sie niemand verfolgen können, ohne ihnen aufzufallen. Aber er wurde langsam nervös, als um Viertel nach zwölf noch immer keine Fahrradrikscha vor der Moschee gehalten hatte. Er sah sich die Menschen in seiner Nähe an. Einer von ihnen musste sein Kontakt sein. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, ließ er sich die Schuhe putzen und wählte den »Semi-Deluxe«-Service.

    Dann sah er in der Ferne eine Rikscha auftauchen, mitten in dem Menschenmeer auf der Dariba Kalan. Die Szene erinnerte ihn an die Bilder vom London Marathon, die er im Fernsehen gesehen hatte: Köpfe, die auf und ab wippten, und Blicke, die starr auf die Straße gerichtet waren. Die Rikscha kam näher und zog im Zickzack durch das Gedränge. Der Fahrgast auf dem Rücksitz trug eine Baseballmütze. Er bezahlte den Schuhputzjungen und blickte sich um. Immer noch niemand, den er erkannt hätte.
    Die Rikscha stand nun vor dem Moscheetor. Dhar ging auf sie zu und hielt Ausschau nach jemandem, der sich in die gleiche Richtung bewegte. Der Fahrgast stieg aus, ohne aufzublicken. Dhar nickte dem Fahrer zu, signalisierte ihm, dass er mitfahren wollte, dann gab er sein Fahrziel an, Gadodia Market. Der Fahrer winkte ihn auf den Fahrgastsitz. Niemand schien die Szene zu beachten. Dhar ließ sich auf dem dünnen Plastikkissen nieder.
    »Chalo«, sagte er zu dem Fahrer und bewunderte die Abgebrühtheit seines unsichtbaren Kontaktmanns. Dann erschien wie aus dem Nichts eine Gestalt neben der Rikscha.
    »Fahren Sie in Richtung Rathaus?« Die Frage wurde in perfektem Urdu gestellt.
    Dhar lächelte. »Gewiss«, sagte er und rutschte zur Seite, um Platz zu machen. Eine Frau hatte er nicht erwartet.

49

    »Der Premierminister hat nachdrücklich gefordert, dass man Sie am Leben lässt«, sagte Armstrong und wischte Marchant die letzten Blutspuren aus dem Gesicht. Sie legte den Schwamm in die Schüssel, und rote Schlieren mischten sich unter das Seifenwasser. »Die Amerikaner waren weniger darum besorgt. Sie hatten andere Dinge im Auge. Wir haben einen Kompromiss geschlossen.«
    »Sie meinen, die haben Sie kommen lassen. Sehr tröstlich.«
    Trotzdem war Marchant froh, dass Armstrong da war. Inzwischen konnte er wieder aus beiden Augen sehen, die Schnitte auf der Stirn waren ordentlich genäht worden, und er trug saubere, wenn auch schlecht sitzende Kleidung: Jeans und ein kragenloses Baumwollhemd. Zwei Holzstühle waren in die Zelle gebracht worden, während der Arzt ihn untersucht hatte. Die Frau, die vor ihm saß, unterschied sich deutlich von der uneleganten Gestalt, an die er sich aus London erinnerte. Sie wirkte weniger steif und deutlich weiblicher. Vielleicht lag es an dem beigefarbenen Salwar Kamiz , der vorn mit schlichten Stickereien verziert war. Er hatte sie bislang nur in dunklen Hosenanzügen gesehen.
    »Daniel, es gibt etwas, worüber wir uns unterhalten
müssen. Über Leila.« Marchant unterdrückte ein unwillkürliches Zucken. Es war eigenartig, wieder ihren Namen zu hören. »Marcus Fielding hat einige schwere Beschuldigungen geäußert, nachdem Sie verschwunden sind.«
    »Sie hat für die gearbeitet, oder?«
    »Für wen?«
    »Für Langley. Beim Marathon hat sie mich reingelegt. Alles andere ergibt keinen Sinn. Sie hätte die Sache aufklären und meine Unschuld beweisen können, aber sie hat es nicht getan.«
    Armstrong zögerte. »Hat Leila je mit Ihnen über ihre Mutter gesprochen?«
    »Nicht oft.«
    »Haben Sie ihre Mutter kennengelernt?«
    Marchant überlegte angestrengt, worauf Armstrong mit ihren Fragen abzielte. »Sie wollte das nie. Warum?«
    »Aber Sie wissen, wo ihre Mutter war?«
    »In einem Heim. In Hertfordshire, glaube ich. Leila war es ein bisschen peinlich.«
    »Leilas Mutter ist nach dem Tod des Vaters in den Iran zurückgekehrt. Sie hat nie einen Fuß in ein britisches Pflegeheim gesetzt.«
    Marchant sagte nichts. Er dachte an Leilas Tränen, an die Telefonate, an den Unwillen zu reden, an die Sorge, dass ihre Mutter

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