Der Marathon-Killer: Thriller
Sprengstoffgürteln weiterlaufen lassen würde.
Ihm war klar, dass sie versucht hatte, mit ihm Schluss zu machen - Gott, sie beide hatten es versucht -, aber einer wurde am Ende immer wieder weich. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich einer Frau richtig nah. Jetzt hatten sie möglicherweise einen Sicherheitsvorfall größeren Ausmaßes am Hals, und seine Verwicklung darin würde
sich nicht förderlich auf ihre Karriere auswirken. Der Verdacht umwaberte die Familie Marchant wie giftiger Nebel.
Sie winkte ihm kurz zu und verschwand im Meer der Läufer.
2
Marchant brauchte zehn Minuten, bis er Pradeep wiedergefunden hatte. Der lief vorgebeugt mit schlurfenden Schritten wie ein betrunkener Penner.
Der amerikanische Botschafter war mit seiner Gruppe direkt vor ihm. Er lief locker und aufrecht und zeigte nicht das geringste Anzeichen von Erschöpfung. Unglücklicherweise war das Feld um Pradeep besonders dicht und hatte sich nicht so stark auseinandergezogen wie weiter hinten. Und jetzt erkannte Marchant den Grund dafür: Genau vor dem Botschafter lief ein offizieller Tempomacher mit einem Schild über sich: fünf Minuten pro Kilometer. Blieb man bei ihm, würde man den Marathon in drei Stunden und dreißig Minuten absolvieren. Marchant warf einen Blick auf Pradeep und fürchtete, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, höchstens noch zehn Minuten.
»Pradeep? Ich bin es. Sie machen das großartig.«
»Es ist zu spät.«
»Warum?«
»Ich bin so müde und zu schwach.«
»Wollen Sie anhalten und eine kleine Pause machen?«, bluffte Marchant. Eine letzte Überprüfung, nur um sicherzugehen wegen des GPS.
Pradeeps Blick auf den Gürtel war Antwort genug. Marchant lag eindeutig richtig.
»Wie wäre es, wenn wir weiterlaufen, aber nicht auf der Strecke bleiben, sondern zum Beispiel da an dem Pub abbiegen?«
Pradeep schüttelte den Kopf.
»Ist die Marathonstrecke in das GPS, den Sat-Runner, programmiert?«, fragte Marchant. Auch das hatte ihm sein Vater beigebracht, kurz nachdem er in den Dienst des MI6 getreten war: Niemals eine Frage stellen, deren Antwort man nicht kennt.
Pradeep erwiderte nichts. Er musste inzwischen kämpfen und geriet immer wieder ins Taumeln. Marchant sah sich seine Statur an, schlank und sehnig. Unter anderen Umständen wäre Pradeep der geborene Marathonläufer gewesen. Bestimmt hatte man ihn deshalb ausgewählt. Aber der mentale Druck auf Pradeep fraß seine Energie auf. Marchant spürte regelrecht, wie seine Kräfte nachließen, kurz bevor das GPS piepte.
»Kommen Sie, Pradeep, wir schaffen das«, sagte Marchant und wollte das Tempo wieder anziehen. Sie mussten durchhalten, bis Leila anrief. Sie würde eine Antwort haben.
»Wenn es zweimal piept, ist es aus mit uns«, gab Pradeep zurück und grinste, ja lachte fast. Marchant begriff, dass Pradeep langsam die Beherrschung verlor. »Sie verstehen nicht, mein Freund«, fuhr er fort. »Der Amerikaner. Ich darf mich nicht von ihm entfernen.«
»Vom Botschafter?«
Marchant sah hinüber zu Turner Munroe, der fünf Meter vor ihnen lief. Der Botschafter blickte auf seine Uhr, und zum ersten Mal fiel Marchant auf, dass er ein identisches Gerät am Arm trug wie Pradeep.
»Fünf Minuten pro Kilometer. Er läuft immer die gleiche Zeit«, sagte Pradeep und klang plötzlich wie ein Trainer, der stolz über einen seiner Sportler spricht.
»Drei Stunden dreißig«, stellte Marchant fest. »Er will die drei Stunden dreißig laufen.«
»Eine Stunde vierzig.«
»Wie bitte?«
»Er erreicht die Tower Bridge nach einer Stunde vierzig.«
»Und?«
Pradeep grinste wieder, doch diesmal stiegen ihm Tränen in die Augen. Marchant wünschte sich verzweifelt, dass Leila anriefe, und zwar noch sehnlicher als damals, nachdem sie das erste Mal Schluss gemacht hatten, nach ihrem ersten Date in Fort Monckton, dem Ausbildungszentrum des MI6 in Gosport. Er sah auf das Display von Leilas Handy. Die privaten Netze waren abgeschaltet. Sollte er versuchen, sie anzurufen? Im Büro würde man sich wundern, seine Stimme zu hören, aber inzwischen musste sie ihnen erzählt haben, was vor sich ging, und man würde ihn zu ihr durchstellen, wo immer sie auch steckte. Er hob den Kopf, blickte sich um und glaubte für einen Moment, sein Vater liefe vor ihm und trotte mit für sein Alter beeindruckender Geschwindigkeit dahin.
Er blinzelte, wischte sich den Schweiß aus den Augen und sah erneut auf das Handy. Er durfte das Wichtigste
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