Der Marathon-Killer: Thriller
noch einmal beweisen will.
»Ich nehme an, wenn er zu langsam wird, gehen seine isotonischen Getränke in die Luft«, fügte er hinzu.
»Daniel …«
Leilas Miene verriet ihm, wie sehr sie sich bemühte, die Situation zu begreifen und zu entscheiden, ob er sich etwas einbildete oder ob sie ihm glauben konnte. Für einen Augenblick wirkte sie, als wolle sie in Tränen ausbrechen.
»Du musst die Sache anderen überlassen«, flehte sie. »Unbedingt. Du bist nicht mehr … ich muss mal telefonieren.« Sie zog ihr Handy aus einer Tasche hinten an ihrer Laufhose.
»Hier kommst du nicht durch«, sagte Marchant und blickte auf das Telefon. Das Gerät mit der kleinen Stummelantenne kam ihm sehr bekannt vor.
Sie hielt das Handy vor sich, stolperte und stützte sich auf Marchants Arm ab.
»Wen rufst du an? MI5? Das Netz ist garantiert überlastet«, sagte er. »Zu viele Menschen.«
Erneut sah sie ihn an, wobei ihr Gesicht plötzlich einen berufsmäßigen Ausdruck angenommen hatte, der keine Gefühle offenbarte, und dann wählte sie.
»Das ist ein TETRA-Handy«, sagte sie kühl. Das verschlüsselte digitale Netz für Notfall- und Sicherheitsdienste gehörte zu den Vergünstigungen, die Marchant vermisste. »Da geht keiner dran. Daniel, bitte. Diese Sache fällt weder in meine Verantwortlichkeit noch in deine. Wenn es stimmt, was du sagst, muss der MI5 ran, die Antiterroreinheit. Wir müssen es denen überlassen.«
Marchant blickte nach vorn und schätzte die Position des Läufers ein. Er wusste, wo er sich befand, ungefähr auf einige Hundert Leute genau. »Ich habe ihn zum Reden gebracht. Er will das Ding nicht durchziehen.«
Leila zögerte und überlegte, welche Alternativen ihr blieben. Sollte sie ihm erlauben, eine Funktion zu übernehmen? Sie sah ihn nochmals an und schluckte heftig.
»Okay. Wenn ich dir mein Handy gebe, suche ich mir eine Telefonzelle und melde dem MI5 die Situation.
Sobald die Netze abgeschaltet sind, rufe ich dich über TETRA an.«
Marchant überlegte schnell, so wie früher im Außendienst. Der Leiter der Dienststelle in Nairobi hatte ihm eine schillernde Karriere vorhergesagt; er könne sogar seinem Vater nach ganz oben folgen, wenn er die Finger vom Whisky und von den Frauen ließe. Als sie sich das nächste Mal trafen, war Marchant suspendiert und musste seinen Vater zu Grabe tragen.
»Du benachrichtigst den MI5. Ich bleibe bei ihm«, sagte er und versuchte, nicht an die Beerdigung in den eisigen Cotswolds zu denken und nicht daran, wie sie seinen Vater behandelt hatten. »Ich glaube, wir können ihn nicht von der Strecke holen, selbst wenn er weiterläuft. Möglicherweise wird die Bombe gezündet, wenn er von den vorgegebenen Koordinaten abweicht.«
»Daniel, du solltest dich lieber raushalten.«
»Ich weiß.« Aber er wusste auch, dass sie kaum eine andere Wahl hatten. Wenn sie beide anhielten, würde es beinahe unmöglich werden, den Attentäter wiederzufinden. »Ich könnte die Amerikaner alarmieren. Der Botschafter ist in Begleitung, und die haben sicherlich Funk.« Leila sah ihn einen Moment lang an. Beide zögerten, den US Secret Service einzuweihen, der für den Schutz von diplomatischen Vertretern zuständig war, denn die amerikanischen Kollegen hielten sich nicht immer an die Spielregeln. »Der Botschafter ist doch das Ziel?«, fragte er.
»Muss wohl.«
Marchant hatte das Adrenalin vermisst, aber es zerrte auch an seinen Energievorräten. Laktat baute sich in seinen
Oberschenkeln auf, und die Beine fühlten sich an wie Blei.
»Hier«, sagte Leila und reichte ihm das Handy. Sie sahen sich in die Augen.
»Keine Sirenen, nichts, was ihn alarmiert, okay?«, sagte er und nahm das Telefon. Er kam immer mehr aus der Puste. »Da könnte noch jemand anders den Finger am Auslöser haben. Das ist mir schon einmal passiert.«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Halt einfach Abstand von ihm.«
»Wer hat dir das gegeben?«, fragte er und betrachtete das Handy noch einmal. Es war ein Motorola MTH800. »Sieht aus wie mein altes.«
»Die Technik. Meins wurde ausgemustert. Solltest du in fünfzehn Minuten noch nichts von mir gehört haben, versuch, das Büro anzurufen. Kurzwahl eins. Die werden mich schon finden.«
Marchant blickte sich nach Leila um, die eine Verletzung der Achillessehne vortäuschte und zum Straßenrand humpelte. Sie sah zu ihm hinüber, und einen Moment lang fragte er sich, ob sie wirklich anrufen oder ihn in seiner Fantasiewelt mit Attentätern und
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