Der Marktmacher
enttäuscht. »Könnten Sie nicht wenigstens eine Übernahmeofferte unterbreiten, um eine weitere Verzög e rung zu erreichen?«
Luís war sich unschlüssig. »Das könnten wir, aber ich glaube nicht, daß Lord Kerton darauf eingehen würde. Das Manöver wäre zu durchsichtig. Kerton würde wissen, daß wir die Bondpositionen nicht übernehmen können. Er würde merken, daß wir nur versuchen, Zeit zu gewinnen, und die Offerte von Bloomfield Weiss annehmen.«
Meine Hoffnung sank. »Na gut. Aber lassen Sie mich Ihnen trotzdem ein paar Informationen zu Dekker Ward geben. Mal sehen, was Sie davon halten.«
Ich ging hinein und kam mit meiner Kopie des Bloomfield-Weiss-Berichts über Dekker Ward zurück.
»Ich glaube, Sie sollten mir das nicht zeigen«, sagte Luís .
»Warum nicht? Wenn es uns hilft, Isabel zu retten, habe ich nicht die geringsten Bedenken. Und Regeln, die aufgestellt werden, damit ein Hai den anderen besser fressen kann, beeindrucken mich nicht.«
Luís lächelte und sah die Papiere durch. Ich blickte auf die Bucht hinab. Der brasilianische Winter hatte fast seinen Höhepunkt erreicht, und die Luft, die der Wind von der See he r b rachte, war sanft und kühl. Nach brasilianischen Maßstäben waren die Temperaturen kalt, nach meinen sehr angenehm. Der Strand war nicht sehr voll, obwohl es Samstag war. Nur die üblichen Spiele fanden statt: Volle y ball, Strandfußball und das kunstvolle Mischgebilde aus beiden, das mich so faszinierte. Am Horizont lag die vertraute Gruppe der fast kuppe l förmigen Inseln im Meer, das in der schwächer werdenden Nachmittagssonne matt gli t zerte.
»Es gibt wohl doch eine Möglichkeit«, sagte er schließlich.
»Und die wäre?«
»KBN, die große holländische Bank, die ich zur Wiederbelebung des Favela -Deals mit Humberto Alves zusammengebracht habe. Sie ist eine der wichtigsten Akteure auf den Rentenmärkten der Schwellenländer. Und groß genug, um sogar das Portefeuille von Dekker Ward zu verkraften.«
»Dann schlagen Sie also KBN vor, Dekker Ward zu kaufen?«
Luís lächelte. »Oh, nein, ich werde Dekker Ward kaufen. Aber KBN kann die Bondpositionen übernehmen.«
»Werden die das denn tun?«
»Wir könnten die Transaktion so gestalten, daß sich die Übernahme für sie lohnt.«
Ich lächelte. »Na dann?«
Luís stand auf und klemmte sich den Bericht, den ich ihm gegeben hatte, unter den Arm. »Ich muß ein paar Anrufe erledigen.«
D en Sonntag verbrachte Luís am Telefon und schreckte seine Partner von der Banco Horizonte und einige leitende Angestellte der KBN aus dem Wochenende auf. Cordelia verbrachte den größten Teil des Wochenendes in dem Kinderhort in der Favela . Nelson ließ seine Beziehungen zu früheren Kollegen bei der Polizei spielen. Und ich lief u n ruhig in Luís ’ Wohnung auf und ab und versorgte ihn von Zeit zu Zeit mit Informationen über Dekker Ward.
Während einer der kurzen Zeiträume, in denen Luís nich t a m Telefon hing, beschloß ich, Kate anzurufen, um ihr von den Fortschritten oder den mangelnden Fortschritten zu berichten, die ich erzielt hatte. Ich wählte ihre Nummer und betete, daß nicht Jamie abnahm. Gewöh n lich ging Kate ans Telefon.
Diesmal nicht.
»Hallo«, sagte Jamie.
In einem ersten Reflex wollte ich einfach auflegen. Aber das wäre albern gewesen. Ich wollte mit Kate sprechen, also würde ich auch nach ihr fragen.
»Hallo?« fragte Jamie ungeduldig.
»Jamie? Nick. Ich rufe aus Brasilien an.«
»Aha.«
»Ist Kate zu sprechen?«
Stille. Was sollte das? Schließlich konnte er mir nicht verbieten, mit ihr zu sprechen.
»Sie ist nicht da.« Seine Stimme klang gepreßt.
»Wann ist sie wieder da?«
»Das würde ich auch gern wissen.«
»Was ist los? Fehlt ihr etwas?«
Wieder eine Pause. »Sie hat mich verlassen. Gestern abend. Sie hat Oliver mitgenommen und ist zu ihrer Schwester gefahren.«
»Warum ist sie fort?«
»Das solltest du sie besser selbst fragen.« Gehässig drang seine Stimme an mein Ohr. Dann war die Leitung tot.
Ich blieb einen Augenblick mit dem Hörer in der Hand wie angewurzelt stehen. Himmel, Kate hatte ihn verlassen. Eigentlich hätte ich es kommen sehen müssen. Ich konnte und wollte es einfach nicht glauben. War es meine Schuld? Ich hatte sie dazu gebracht, mir gegen Jamie zu helfen. Nur daß sich meine Aktionen nicht gegen Jamie, sondern gegen Ricardo gerichtet hatten. Und ich hatte doch nur versucht, Isabel zu retten. Ohne Kates Hilfe wäre sie jetzt tot. Jamie sah das
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