Der Marktmacher
undurchsichtig. Doch seit zwei Jahren scheint er über sehr viel größere Geldmittel zu verfügen. Es heißt, er habe bei einigen großen Immobiliengeschäften in Brasilien und in den Vereinigten Staaten seine Finger im Spiel gehabt.«
»Woher kommt das Geld?«
»Aus dem Drogenhandel, hört man. Und nicht nur dem brasilianischen. Er soll auch Verbindungen nach Kolumbien und Venezuela haben.«
»Das würde erklären, warum Martin Beldecos in Caracas ermordet wurde«, sagte ich.
»Aber man weiß nicht, mit welchem Kartell er zusammenarbeitet?« fragte Nelson.
Luís schüttelte den Kopf. »Es sind alles nur vage Gerüc h te. Haben Sie etwas gehört?«
»Er ist schon mit jedem der großen Bosse in Rio gesehen worden. Jeder von ihnen könnte Isabel in seiner Gewalt haben. Ich habe herausgefunden, wo er wohnt und a r beitet, und lasse ihn beschatten. Aber in den letzten zwei Tagen hat er keinen Ort aufgesucht, der für uns von Inte r esse wäre.«
»Irgend etwas über die Halbwüchsigen, die mich angegriffen haben?« fragte ich.
»Ja. Ich habe mit einem Kriminalbeamten gesprochen, de r m it dem Fall befaßt war. Er hatte den Eindruck, daß es sich nicht bloß um einen Raubüberfall gehandelt hat, so n dern daß die Sache geplant war. Aber in der Favela hat ni e mand den Mund aufgemacht. Mein Kontaktmann hat das Gefühl, daß die Leute etwas wissen, aber Angst haben zu reden. Die Polizei ist bemüht, den Fall herunterzuspi e len. Ein fehlgeschlagener Raubüberfall ist schon schlimm genug. Doch ein Anschlag auf einen ausländischen G e schäftsmann am Strand von Ipanema im Zusammenhang mit irgendwelchen Drogengeschäften wäre ein Riesenska n dal.«
»Es hat also den Anschein, als hätte Nick recht«, sagte Luís . »Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Martin Beldecos, dem Angriff auf ihn selbst und Isabels Entführung.«
Nelson nickte, einen grimmigen Ausdruck auf seinem rundlichen, orangenfarbenen Gesicht. »Hinter allem steckt Francisco, daran gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel mehr.«
Luís schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Teller und Gläser klirrten, die schon fürs Mittagessen gedeckt worden waren. »Und jetzt, wo wir es wissen, können wir da wirklich nichts tun?«
»Nur herausfinden, wo man Isabel gefangenhält«, sagte Nelson ruhig.
Maria brachte das Mittagessen auf den Balkon – Steak und Salat. Schweigend und achtlos stopften wir es in uns hinein. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ich war genauso enttäuscht wie Luís . Wenn wir wußten, daß Francisco für Isabels Entführung verantwortlich war, dann mußten wir doch irgend etwas tun können. Ich sah ein, daß es keinen Zweck hatte, ohne einen Beweis zur Polizei zu gehen. Als wir uns das letzte Mal an sie gewandt hatten, hätte das um Haaresbreite Isabels Leben gekostet. Und eine direkte Konfrontation war Zeitverschwendung, da mußte ich Nelson recht geben. Aber wie stand es mit Verhandlungen? Plöt z lich hatte ich eine Idee.
»Wir könnten mit Francisco sprechen«, sagte ich.
ACHTUNDZWANZIG
A ls wir die steile, gewundene Straße hochfuhren, wurde Luís ’ Auto vom Kopfsteinpflaster auf eine harte Probe gestellt. Zu beiden Seiten erhoben sich hinter schmiedeeisernen Toren und hohen Mauern, die von Blumen und Schlingpflanzen überwuchert waren, Villen im Kolonialstil und erstrahlten in der Nachmittagssonne. Hinter uns bre i tete sich die Guanabarabucht aus, über uns ragte die Christusstatue auf, immer mal wieder von Wolkenfetzen u m hüllt.
»Die Häuser dürften nicht ganz billig gewesen sein«, sagte ich.
»Recht haben Sie«, meinte Luís . »Santa Teresa ist eines der teuersten Viertel in Rio. Als es noch Brasiliens Hauptstadt war, lagen hier die Botschaften. Offenbar verdient Francisco nicht schlecht.«
Wir waren zu viert, Luís , sein Fahrer, Nelson und ich. Von Nelsons Partner wußten wir, daß Francisco zu Hause war, also waren wir direkt dorthin gefahren. Als wir an e i nem schäbigen Toyota vorbeikamen, der an der Ecke einer Seitenstraße parkte, stieg Nelson aus, um bei seinem Freund zu bleiben. Anonymität war eine wichtige Voraussetzung in seinem Beruf, daher wollte er vermeiden, von Francisco gesehen zu werden.
Fünfzig Meter weiter oben hielten wir vor einem schmiedeeisernen Tor. Luís sprach in eine Gegensprechanlage an der Mauer. Man hieß uns warten.
Es dauerte einige Minuten. Eine alte gelbe Straßenbahn, die vor braunen Körpern schier überquoll, ratterte hinter uns die Straße
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