Der Marktmacher
ich nichts. Er lebt gern gefährlich und ich auch. Außerdem ist er süß.«
»Und was bedeutet das für uns?« fragte ich.
Sie beugte sich vor und küßte mich sanft auf die Lippen . » Das hier.«
Plötzlich war meine Verwirrung verflogen. Entweder ich blieb und ließ mich von der Frau hier vernaschen, um mir dann ein paar Geschichten über ihren Bruder anzuhören, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch erlogen w a ren, oder ich ging auf der Stelle.
»Was soll ich sagen, vielen Dank für den Wein, Luciana«, sagte ich und rappelte mich aus dem Sofa hoch. »Tut mir leid, daß ich nicht zum Mittagessen bleiben kann.«
Sie rekelte sich auf dem Sofa und trank ungerührt von ihrem Wein.
» Ciao « , sagte sie.
SIEBENUNDZWANZIG
Z um drittenmal in den letzten drei Monaten blickte ich durch ein Flugzeugfenster auf das staubig-braune Durcheinander von Rios nördlichen Vorstädten. Doch diesmal war es anders. Die Male zuvor war ich aufgeregt und erwartungsvoll gewesen. Jetzt empfand ich nur Verzweiflung und Angst. Angst um Isabel und Angst um mich. Bei der ersten Reise war ich fast umgebracht und bei der zweiten entführt worden. Was erwartete mich diesmal?
Das Ticket des British-Airways-Flugs hatte die Hälfte der Summe verschlungen, die mir noch von Ricardos Darlehen geblieben war. Mir war nichts anderes übriggebli e ben. Ich mußte alles tun, um Isabel zu finden, und dazu war es erforderlich, nach Brasilien zu fliegen. Wenn ich es nicht tat und die Entführer ihre Drohung wahr machten, würde ich mir das nie verzeihen.
Luís war sehr erfreut gewesen, und auch Kate zeigte Ve r ständnis für meine Pläne. Ihre Bereitschaft, mir bei der Rettung Isabels zu helfen, war rührend, aber ich hatte, wenn ich ehrlich bin, auch nichts anderes von ihr erwartet. Sie bat mich, sie auf dem laufenden zu halten. Jamie war in der Firma. Er würde sicherlich froh sein, mich bei seiner Rü ckk ehr nicht mehr vorzufinden.
Meine Gefühle Jamie gegenüber waren sehr widersprüc h lich. Ich war wütend auf ihn. Wütend, weil er sich gegen mich und für Ricardo entschieden hatte. Und wütend, weil er Kate so bedenkenlos mit Luciana betrogen ha t te. Ich sah ihn buchstäblich vor mir, wie er sich rechtferti g te: »Das wa r d och nur ein bißchen Spaß, ein kleines Abe n teuer. Luciana gefällt mir noch nicht mal besonders. Ich liebe nur Kate. « E kelhaft.
Andererseits hatte ich aber auch ein schlechtes Gewissen. Weil ich als sein Gast hinter seinem Rücken gegen Dekker Ward konspiriert und seine Frau zu meiner Ko m plizin gemacht hatte. Mein Teil der Verantwortung an der Zerstörung unserer zehnjährigen Freundschaft war nicht zu leugnen.
Doch jetzt war ich hier in Brasilien und durfte mich nicht in Grübeleien verlieren. Es gab nur noch ein einziges Ziel: Isabel zu befreien. Es würde schwierig sein, sie bis zum nächsten Mittwoch zu finden, aber ich hatte eine Idee, wie man die Frist vielleicht ein bißchen verlängern konnte. Mal sehen.
M it einem Lächeln und einer Umarmung empfing Luís mich auf dem Flughafen. Sein Chauffeur fuhr uns zur Wohnung in Ipanema, wo wir von Nelson, Cordelia und ihrem Mann Fernando erwartet wurden. Cordelia war erkennbar rundlicher geworden. Ich war erleichtert, daß Is a bels Verschwinden keine Fehlgeburt verursacht hatte.
Auch hier wurde ich mit freundlichem Lächeln begrüßt, und ich freute mich, wieder bei ihnen zu sein. Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Trotz der Schwierigkeit unserer Aufgabe konnte man den Optimismus, der uns beseelte, fast mit Händen greifen. Es war, als müßte jetzt, da wir z u sammen waren, unsere gemeinsame Entschlossenheit über alle Schwierigkeiten triumphieren.
»Also, was glauben Sie, Nick?« fragte Luís .
»Ich weiß, wer hinter Isabels Entführung steckt.«
»Wer?« fragte Cordelia und beugte sich vor.
»Francisco Aragão .«
»Francisco Aragão ? Ricardo Ross ’ Schwager? Das würde mich nicht sonderlich überraschen«, murmelte Luís .
»Ich glaube, er arbeitet mit Ricardo und Eduardo Ross zusammen. Wer von den beiden Brüdern die Fäden zieht , weiß ich nicht, aber ich vermute, daß sie gemeinsam für Martin Beldecos Ermordung und Isabels Entführung die Verantwortung tragen.«
»Aber warum?« fragte Luís .
»Ich glaube, Dekker Ward wäscht Geld für Francisco. Er hat über seine Schwester Luciana, also Ricardos Frau, mit Dekker Ward Kontakt aufgenommen.«
»Haben Sie mit Luciana gesprochen?« fragte Luís .
»Ja.« Ich hüstelte. Ich
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