Der Marktmacher
natürlich ganz anders.
Ich erinnerte mich an ihre Hochzeit. Eine traditionelle englische Zeremonie in der alten Kirche aus dem 15. Jahrhundert in dem Dorf in Sussex, in dem ihr Vater Arzt war. Es war ein herrlicher Junitag gewesen. Jamie sah prächtig aus im Cut und Kate hinreißend in ihrem Hochzeitskleid. Die Eltern der Brautleute strahlten. Ich konnte mich an die Einzelheiten nicht mehr so recht erinnern. Ich war zu sehr mit den Pflichten beschäftigt, die mir als Freund des Bräutigams zufielen. Aber ich hatte den Ring parat, meine Rede war kurz und erntete sogar ein paar Lacher. Danach floß der Champagner in Strömen und steigerte noch die Fre u de, die ich darüber empfand, daß zwei Menschen, die mir so viel bedeuteten, ihr Leben in Zukunft gemeinsam verbringen wollten. Auf manchen Hochzeiten hat man den Eindruck, daß die Brautleute zueinander passen, auf anderen überhaupt nicht. Diese beiden waren wie füreinander bestimmt.
Ich war noch immer der Überzeugung, daß der Eindruck damals nicht getrogen hatte. Doch in der Zwische n zeit hatte sich die Situation verändert, oder die beiden ha t ten sich verändert, oder irgend etwas anderes hatte sich verändert.
Ich hatte die Nummer von Liz, Kates Schwester, in meinem Adreßbuch. Liz meldete sich. Sie gab mir Kate.
»Kate, Nick hier. Was ist passiert?«
Sie seufzte. »Ich bin ausgezogen.«
»Das hat mir Jamie schon erzählt. Wie fühlst du dich? Dir muß ja scheußlich zumute sein.«
»Das ist es«, sagte sie ausdruckslos. »Aber es ist gut, daß ich ausgezogen bin. Ich brauche ein paar Tage, um mir über die Situation klarzuwerden.«
»Aber es ist doch nicht meinetwegen, oder?«
»Oh, nein, Nick, nicht wirklich. Aber es ist mir schon entsetzlich gegen den Strich gegangen, wie er dich rausgeschmissen hat, obwohl er wußte, daß du keine Bleibe hast. Er hat sich verändert, Nick. Und mir gefällt ganz und gar nicht, was aus ihm geworden ist.« Sie sagte das sehr ruhig . » Hat er jemals … du weißt schon, mit anderen Frauen?«
Ich merkte, daß das eine Frage war, die ihr schon lange auf der Seele brannte. Ich dachte an Luciana. An das »Model«, das auf Eduardos Party auf seinen Knien gesessen hatte. »Wer kann das schon so genau wissen«, sagte ich v a ge.
Kate schluchzte und versuchte sich wieder zu fassen. Ich fühlte mich elend: Sie hatte mich um die Wahrheit gebeten, und ich hatte sie ihr nicht gesagt. Aber wie soll man einer Frau mitteilen, daß ihr Mann sie betrogen hat?
Sie wußte natürlich Bescheid.
»Hast du mit ihm darüber gesprochen?« fragte ich.
»Nicht direkt. Aber er kennt meine Einstellung. Ich will nicht, daß er seine Seele für irgendeinen tausendmal b e schworenen Millionen-Dollar-Bonus verkauft. Und es gefällt mir nicht, wenn er sich mit anderen Frauen einläßt. Er wird sich nie ändern, Nick. Das weißt du.«
»Aber er liebt dich«, sagte ich, und das war meine ehrliche Überzeugung.
»Ich habe ihn auch geliebt. Tue es noch immer. Den alten Jamie. Doch in zehn Jahren ist er ein fetter, durchtriebener Banker mit einer Sammlung hübscher Betthäschen in aller Welt. Dann möchte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
Ihre Stimme klang tieftraurig. Einen Augenblick blieben die vielen Tausend Kilometer Leitung zwischen uns stumm.
Dann sagte sie: »Du wärst die bessere Wahl gewesen.« Bevor ich antworten konnte, hatte sie aufgelegt.
A m Montag morgen ging Luís in die Banco Horizonte und kehrte gegen Mittag zurück. Er lächelte. Nelson, Cordelia und ich saßen am Tisch auf dem Balkon und warteten schon auf ihn. Wir alle waren sehr gespannt.
»Es klappt. Vorbehaltlich einer genaueren Prüfung ist die Banco Horizonte gewillt, für Dekker Ward eine Offerte von zwanzig Millionen Pfund zu unterbreiten. Die KBN wird uns unterstützen.«
»Gut«, sagte ich.
»Ich werde Lord Kerton heute nachmittag telefonisch über unsere Offerte informieren.«
»Aber es wird uns Isabel doch nicht zurückbringen, Papai!« Cordelia sah erschöpft und ungeduldig aus.
»Wir gewinnen dadurch etwas mehr Zeit, Cordelia«, sagte ihr Vater, etwas ernüchtert. Ihre Bemerkung hatte seinem Optimismus einen Dämpfer verpaßt. Nun machte er sich Vorwürfe, daß er sich von seiner berufsbedingten Begeisterung für erfolgversprechende Transaktionen hatte hinreißen lassen, wo doch Isabel unverändert in Lebensg e fahr schwebte.
»Haben Sie etwas über Francisco herausgefunden?« fragte ich.
Luís seufzte. »Nicht viel. Seine Geschäfte sind sehr
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