Der Marktmacher
entlang.
Schließlich krächzte die Gegensprechanlage, ein Motor surrte, und die Torflügel schwangen auf. Wir fuhren auf einen mauerumsäumten Hof und hielten vor einem frisc h gestrichenen Haus im Kolonialstil mit hohen, eleganten Fenstern, deren Umrandungen reich verziert waren. Als wir aus dem kühlen, klimatisierten Auto in den warmen Nachmittag traten, umfing mich der betäubende Duft der roten, blauen, orangenfarbenen und weißen Blüten, die Mauern und Kübel zierten. Um unsere Beine spielten wunderbar gezeichnete schwarz-blaue Schmetterlinge.
Ein Butler öffnete die Tür und führte uns in eine Diele, die wiederum kühl war. Wir folgten ihm zu einer Tür am anderen Ende, als ein Junge von etwa siebzehn Jahren die Treppe herabeilte und an uns vorbei zur Haustür hinausstürzte, fast ohne uns eines Blickes zu würdigen. Er war groß, schlaksig und trug saloppe Designerkleidung.
Wir traten in ein großes, luftiges Wohnzimmer. Die eine Hälfte des Zimmers wurde von einem großen Schreibtisch aus dunklem Holz und dem üblichen Zubehör moderner Bürotechnik eingenommen, die andere Hälfte von einer Reihe Sofas und Sessel. Dahinter schloß sich ein kleiner Garten mit einem atemberaubenden Blick auf die Stadt und die Bucht an.
Kaum war der Butler mit unserem Wunsch nach Kaffee entschwunden, betrat Francisco das Zimmer. Luís und er wechselten ein paar rasche Worte auf portugiesisch. Ich war beeindruckt von Luís . Er hatte sich vollkommen in der Gewalt. Er war gelassen und weitläufig, als handle es sich nur um einen Anstandsbesuch bei einem alten Bekannten. Während sie Höflichkeiten austauschten, die ich nicht verstand, betrachtete ich Francisco. Er war um die vierzig, eher klein, kahlköpfig und korpulent. Es war eine gewisse Familienähnlichkeit mit Luciana zu erkennen. Aber die Gene, der sie ihre aufregende Figur verdankte, hatten ihn lediglich fett gemacht. Seine Augen waren fast schwarz, wie die ihren, aber kalt und berechnend. Er hatte ihr strahlend weißes L ä cheln, nur daß es auf seinen dünnen Lippen eher wie ein Zähnefletschen aussah.
Ich hörte meinen Namen und die Worte »Dekker Ward«, als Luís in meine Richtung nickte.
Luís und ich setzten uns auf ein niedriges Sofa. Francisco nahm uns gegenüber Platz. »Was kann ich für Sie tun? « f ragte er und hob die Hände mit einer höflichen Geste.
»Nun, Francisco, meine Tochter ist entführt worden.« Es gelang Luís , das so beiläufig herauszubringen, als würde er erwähnen, daß sich Isabel unglücklicherweise im brasili a nischen Winter erkältet habe.
Auf Franciscos Gesicht malte sich höfliches Entsetzen . » Oh, nein! Das ist ja schrecklich. Man hört in Rio immer wieder davon, gewiß, aber daß es nun ausgerechnet Ihnen zugestoßen ist, das ist ganz fürchterlich. Haben Sie von den Entführern gehört?«
Natürlich hatte ich erwartet, daß Francisco Überraschung heucheln würde, aber als ich seine Reaktion sah, rang ich mühsam um meine Beherrschung. Er war alles andere als ein guter Schauspieler. Jetzt war ich mir sicher, daß er Isabels Entführung organisiert hatte.
Luís bewahrte einen kühlen Kopf. »Das haben wir. Und sie haben eine höchst ungewöhnliche Forderung gestellt.«
»Ach ja?«
»Ja. Sie haben verlangt, daß Nick Dekker Wards Übernahme durch eine amerikanische Investmentbank verhindert. Nick hat die Übernahme angezettelt, und deshalb glauben die Entführer wohl, er könnte das Geschäft auch wieder rückgängig machen.«
»Wirklich, sehr ungewöhnlich.«
»Ja, merkwürdig, nicht? Leider kann Nick gar nichts mehr tun. Die amerikanische Investmentbank hört nicht mehr auf ihn. Uns ist daher eine andere Idee gekommen.«
»Ich weiß nicht, was das alles mit mir zu tun haben soll«, sagte Francisco, hörte aber aufmerksam zu.
Luís überging dessen Einwurf und fuhr fort: »Wie Sie wissen, leite ich die Banco Horizonte. Wir haben vor, eine Übernahmeofferte für Dekker Ward zu unterbreiten. De k ker Ward steht kurz vor dem Bankrott. Wenn meine Bank die Firma übernehmen sollte, werden wir die Interessen aller An- und Einleger wahren. Damit meine ich nicht nur, daß sie ihr Geld zurückbekommen, sondern auch, daß ihre Namen nicht preisgegeben werden, falls eine Unters u chung stattfindet. Das gilt natürlich nur für den Fall, daß meine Tochter freigelassen wird.«
Francisco setzte eine Miene leichter Verwunderung auf, als frage er sich, warum ihm Luís das alles erzähle, ließ ihn aber fortfahren.
»Mit
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