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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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keine Beachtung. Um die Laune zu heben, verkündete der Kapitän, man habe jetzt das Arabische Meer erreicht, nach zwei Wochen Fahrt sei sein Schiff im Zeitplan und als Antwort auf eine Frage: nein, Piraten gebe es hier nicht mehr. Seine aufmunternden Worte konnten nicht verhindern, dass die Passagiere von der Langeweilewie von einer Seuche befallen wurden und mehr noch als unter der Hitze, dem Seegang und Magenverstimmungen unter der Eintönigkeit der Tage zu leiden begannen.
    Sie fuhren auf offener See, kein Land war in Sicht. Als sich einmal in einiger Entfernung ein anderes Schiff zeigte, strömten sie an Deck zusammen und verloren sich in Mutmaßungen über dessen Nationalität, Heimathafen und Zielort. Größer noch war die Aufregung, als auf der Plane eines Rettungsbootes ein Albatros gefunden wurde, dessen Schnabel wie zu einem Schrei aufgerissen war. Man blieb auf Abstand, hielt sich Taschentücher vor die Nase und war sich wortlos einig, dass der tote Vogel Unheil ankündigte.
    Bei Tisch stockten die Gespräche, alles, was sie über sich und ihre Vergangenheit erzählen wollten, war schon gesagt, wobei mit jeder Geschichte, die sie preisgaben, ein Stück ihres früheren Lebens verloren ging. Abgeschnitten von allen Informationen aus der Welt, die sie verlassen hatten, verblassten ihre Erinnerungen.
    Sie wurden nachlässig in ihrer Kleidung, grüßten nicht mehr das Schiffspersonal und beschwerten sich wegen Nichtigkeiten. In den Kabinen war ihnen die schale, abgestandene Luft, auf Deck der immer gleiche Blick über die Meeresoberfläche bis zum Horizont unerträglich. Mit eingebildeten Beschwerden meldeten sie sich bei Dr. Holzer an.
    Unter den circa vierzig Passagieren war nur eine Frau, eine junge Holländerin mit schwarzem Haar und einer leicht braun getönten Haut. Sie reiste allein, vertrieb sich die Zeit damit, Patiencen zu legen und um sich Bewegung zu verschaffen, machte sie früh morgens in einer windgeschützten Ecke Gymnastik, was die Neugier der männlichen Mitreisenden erregte. Deren Fantasien umschwärmten sie wie Motten die Kerze, ohne dass sich einer wirklich für sie entzündete. Fast jeder hätte sich gerne auf ein Abenteuer mit ihr eingelassen, aber es blieb bei ungeschickten Komplimenten, folgenlosen Spaziergängen entlang der Reling, geheucheltemInteresse. Jeder der halbherzigen Annäherungsversuche wurde von den anderen Passagieren missgünstig beobachtet und bissig kommentiert. Erste Beleidigungen wurden ausgetauscht. Als der Kapitän Handgreiflichkeiten befürchten musste, ließ er den Ausschank von Alkohol drastisch einschränken. Die Holländerin bat er, bei ihren sportlichen Übungen eine Art Trainingsanzug zu tragen und das Abendessen an seinem Tisch einzunehmen.
    Bernhard schien als Einziger von der gewittrigen Stimmung an Bord nichts mitzubekommen. Von Dr. Holzer darauf angesprochen, zuckte er nur die Schultern. Sie trafen sich jetzt regelmäßig, und ohne den Namen von Egon von Riederer zu erwähnen, unterhielten sie sich über familiäre Verhältnisse, die denen glichen, unter denen Bernhard und seine Schwester aufgewachsen waren. Zu seiner eigenen Überraschung sprach Bernhard ungehemmt wie nie zuvor über Furcht, Gehorsam, Sehnsüchte, Rivalität, die Unfähigkeit, Freundschaften einzugehen, und die Scheu vor Frauen. Dr. Holzer fiel auf, dass er wie von einem entfernten Bekannten sprach, nie kam ihm ein «Ich» über die Lippen. «Als Kind braucht man ein Vorbild, aber man darf nicht durch einen übermächtigen Vater in seiner Entwicklung gehemmt werden», sagte er. Oder: «Wenn jemand den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, fällt es schwer, sich auf das andere Geschlecht einzulassen.» Wenn Dr. Holzer nachfragte, wich er in Unverbindlichkeiten aus.
    Als Dr. Holzer wissen wollte, warum er ein Schiff gerade nach Java genommen hatte, antwortete Bernhard, er interessiere sich für Masken und aus seinem Studium wisse er, dass man auf Java und Bali eine besonders große Vielfalt finden könnte. Bei anderer Gelegenheit versuchte Dr. Holzer – wieder ohne den Namen seines Vaters ins Spiel zu bringen –, Bernhard auf seine Berufspläne anzusprechen. Ganz allgemein sprach er über die Vorzüge des Arztberufes. Mediziner würden immer gebraucht, ihnen stündedie ganze Welt offen. Bernhard merkte nicht, dass dies ein Rat war. «Kranke Körper sind ekelerregend», sagte er. Er war in Gedanken woanders. So entging ihm auch eine Bemerkung, die Dr. Holzer mit gesenktem Blick anfügte:

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