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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gezüchtet, Deutsche Riesen: weißes Fell, rote Augen und in den Ohren eintätowierte Nummern. Mein Rammler hatte das Prädikat ‹sehr gut› und war beim Verein eingetragen.» Er lachte. «Vor allem mein Vater war stolz auf das Rassetier. Deutsche Rasse-Riesen! Das gefiel auch dem ehemaligen Gauleiter, der ab und zu auf den Hof kam und meine Mutter in den Hintern kniff.» Dann nippte er an der Tasse, die Rosa ihm hingestellt hatte. «Das alles hier ist neu für dich. Fang an mit denSchriften von Marx und Lenin. Dann lies Marcuse und Adorno. Die Linke ist wie der Fleckenteppich in unserer Wohnstube zu Hause. Jeden Tag bilden sich neue Splittergruppen. Wir orientieren uns am Kommunistischen Manifest und lehnen jeden Personenkult ab; wir kämpfen für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz.»
    Es gab Rührei mit Bratkartoffeln, und wieder machte eine Bierflasche die Runde. Holger trank Leitungswasser und aß ein mit Bananenscheiben belegtes Vollkornbrot. Während die anderen noch kauten, sprach er von einer Aktion, mit deren Vorbereitung er gerade begonnen hatte. «Macht kaputt, was euch kaputt macht!», sagte Gerd, aber nähere Einzelheiten nannte er nicht. Dann zogen sich die beiden zurück, um organisatorische Fragen zu besprechen. Sie ließen die anderen frustriert zurück. Die Männer öffneten noch eine Flasche Bier, die Frauen räumten den Tisch ab.
    ***
    «Revolution ist eben Männersache», sagte Rosa. «Robespierre, Lenin, Che Guevara, Mao – alles Männer. Sie geben die Parolen aus, sie machen kaputt, was sie kaputt macht. Wollen sie jedenfalls. Wer aber fragt, was uns, die Frauen, kaputt macht? Es ist wie beim Fußball: Auf dem Platz nur Männer, sie schießen die Tore, wir waschen anschließend die Trikots. Ist doch wahr! Gerd, unser großer Stratege, beschließt die nächste Aktion, ich organisiere das Megafon, und du verteilst Flugblätter.» Dabei sah sie Ursula an. «Nur vor den Wasserwerfern sind wir alle gleich.» – «Ach, der Gerd!», ließ sich die Frau mit den roten Haaren hören. «Sagt, er kämpft gegen Springer. In Wirklichkeit bekämpft er seinen Vater. Er will dem Vater was beweisen. Wahrscheinlich, dass er kein Schwächling ist. Dass er alles anders und besser macht. Das Bewusstsein von Grund auf ändern! Soll er doch bei sich anfangen. Du spülst!Wer spült, entscheidet er. Genau wie sein Vater. Er fasst nicht ins stinkende Spülwasser, er trocknet ab.» Und mit einem Blick auf Ursula fügte sie hinzu: «Ich weiß, wovon ich rede. Ich war zwei Jahre mit ihm zusammen.»
    Ursula hatte insgeheim gehofft, dass Gerd sie bitten würde, nicht wegzugehen. Das tat er auch; aber es klang wie ein Befehl. Er sagte, sie solle bleiben. Sie könne beim Verlassen des Hauses beobachtet werden und dadurch, ohne es zu wollen, das Versteck von Holger verraten. Morgen werde eine Genossin, die nicht zum inneren Zirkel gehöre, ihre Sachen in der Pension Karnitzer abholen und sie zu einem Apartment in einer Neubausiedlung etwas außerhalb begleiten. «Die Gegend ist nicht schön, aber dort bist du sicher.»
    Also blieb Ursula. Sie schlief zwischen Gerd und Holger, für eine Nacht ging das, das Bett war breit genug. Es war wieder Gerd, der das entschied. «Die von der Kommune I in Berlin schlafen alle zusammen auf einem Matratzenlager.» Er fand das amüsant.
    Gerd drehte sich mit einem «Nacht!» zur Seite und schlief sofort ein. Holger lag vollkommen reglos neben ihr, sie hörte ihn nicht einmal atmen. Ursula wünschte, sie hätte Papier und einen Kugelschreiber. Sie würde an ihren Vater schreiben: «Mein lieber Papa, mir geht es gut. Ich habe mich in Soziologie, Germanistik und Zeitgeschichte eingeschrieben und schon die ersten Vorlesungen gehört. Die Professoren sind hervorragend, in ihren Sprechstunden nehmen sie sich viel Zeit, die Studenten zu beraten. – Auch habe ich einige nette Kommilitonen kennengelernt, mit denen ich mich gewiss anfreunden werde. – Morgen werde ich in eine ganz zentral gelegene, süße kleine Wohnung umziehen, die ich durch einen glücklichen Zufall gefunden habe. – Ich denke viel an Dich und hoffe, dass es Dir von Tag zu Tag besser geht. – Alles Liebe, Deine Ursula.»
    Ja, alles Liebe! Gerd lag keine Handspanne von ihr entfernt, seinRücken war wie eine Mauer in der Dunkelheit, sie hätte nur den Kopf vorstrecken müssen … Da spürte sie etwas in ihrem Nacken, oberhalb der Schulterblätter. Es war nur die Andeutung einer Berührung, mehr nicht. Eine

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