Der Maskensammler - Roman
um sie herum, lachte mit weit aufgerissenem Mund und verschwand dann in der wogenden Menge.
Maria stand unschlüssig da. Einem Mann, der schon seinen Arm um ihre Hüfte gelegt hatte, gab sie einen Korb: «Ich warte auf meinen Freund. Er kommt gleich, er holt nur Bier.» Aber Franz kam nicht. Auch als eine Lautsprecherstimme eine Polonaise ankündigte, blieb er verschwunden. «Bunte Reihe!» Zwei Hände legten sich auf ihre Schultern, schoben sie vorwärts auf die Schultern eines Piraten zu. «Komm, es geht los!», rief die Stimme hinter ihr. Eine Schlange aus Leibern wand sich durch den Saal, die keinen Platz gefunden hatten, standen am Rand und klatschten. Franzwar nirgends zu sehen. Maria riss sich los und lief durch einen Gang in Richtung Toiletten. Vor einem Garderobenspiegel wollte sie ihr Kostüm richten. Da sah sie in einem Raum hinter sich, die Tür stand halb offen, Franz, er war es, unverkennbar. Er hatte seine Torerouniform aufgeknöpft, saß nach vorne gebeugt und küsste eine Frau, von der Maria nur einen Wust schwarzer Haare sah.
Sie lief in den Tanzsaal zurück. Axel saß noch immer beim ersten Bier auf der Empore. «Was ist los?», fragte er. Sie wollte «Ach, nichts» antworten, sagte aber stattdessen: «Es ist aus! Bitte bring mich hier weg!» Die Musik spielte einen Tusch, die Gewinn-Nummern der Tombola wurden ausgerufen.
Axel fuhr eine Strecke, die sie nicht kannte. Er stellte keine Frage und sah sie nicht an. Die Straßen wurden breiter, am Rand standen schwarz die Bäume einer Allee. Axel hielt vor einer Ausfahrt, öffnete ihr die Wagentür und sagte: «Wir sind da.» Er ging voran, schloss die Haustür, dann die Wohnungstür auf, bot ihr etwas zu trinken an und ging ins Bad, um sich die Schminke abzuwaschen. Gespiegelt vom Fensterglas, sah Maria in ein leeres Gesicht. Sie wollte nicht, was jetzt kam, und wollte es doch.
Axel knöpfte ihr Kostüm auf. Er tat es so behutsam, als hätte er Angst, eine unvorsichtige Bewegung könne alles verderben. Seine Hände waren so weiß wie ihre Haut. Als er sie sachte zu sich heranzog, dachte sie kurz an Franz und die Schwarzhaarige. «Du brauchst nicht aufzupassen», flüsterte sie. Dann schloss sie die Augen und ließ sich fallen.
***
Wie jeden Freitag brachte Maria Franz die Abrechnung und den von Herrn Schäfer unterschriebenen Scheck ins Büro. «Wo warst du? Ich habe dich auf dem Ball überall gesucht», sagte er. Sie sah auf seine Lippen, als müssten die geschwollen sein. Und da er sieanlog, sagte auch sie nicht die Wahrheit: «Mir war langweilig. Axel hat mich nach Hause gebracht.» Sie lächelte. Franz hatte kein Gespür für Zwischentöne. Ihm fiel nicht auf, dass es ein mühsames Lächeln war. Er hatte sie einfach stehen lassen, und nun war er froh, dass sie ihm keine Vorwürfe machte. «Ein schlechtes Gewissen», dachte sie. «Er hat tatsächlich so etwas wie ein schlechtes Gewissen.» Das nutzte sie aus. Nach der Inventur würde die Firma Schäfer eine größere Bestellung aufgeben. «Wie wär’s mit einem Frühjahrsskonto?», fragte sie. Das war dreist, darauf war er nicht gefasst. «Drei Prozent», fügte sie hinzu. «Zwei Prozent! Aber nur weil du’s bist. Und unter einer Bedingung: Einmal und nie wieder.» – «Abgemacht.» Jetzt ließ sie es zu, dass er sie kniff.
Erst waren es nur Anzeichen, die andere Ursachen haben konnten. Aber dann gab es keinen Zweifel mehr: Maria war schwanger. Ihre Freude über diese Neuigkeit äußerte sich bei der Ärztin, die ihr das Ergebnis des Tests mitteilte, noch verhalten, als könnte sie’s nicht fassen. Allein und unbeobachtet in ihrer Wohnung liefen ihr vor Glück die Tränen über die Wangen. Und als sie Franz gegenüberstand, gab sie sich einen Ruck und fiel ihm um den Hals: «Du wirst Vater!» – Er löste sich von ihr: «Aber du nimmst doch die Pille!», sagte er. Mehr nicht.
Kurz darauf bat Herr Schwann, der Vater von Franz, Maria zu einem Gespräch in jenes Grand Hotel, in dem Manfred eine Kammer hatte. Er brachte einen Rechtsanwalt mit. «Ich weiß alles!», sagte er zur Begrüßung. «Um es kurz zu machen, wir bieten Ihnen eine monatliche Zahlung an, die hundert D-Mark über der vom Gesetzgeber festgelegten Alimentensumme liegt. Bedingung ist, dass Sie sich und das Kind von meinem Sohn Franz fernhalten.» Und mit einem schrägen Blick fügte er hinzu: «Ebenso von seinem jüngeren Bruder, Fräulein Weinzierl.» – Der Rechtsanwalt ergänzte, mit den monatlichen Zahlungen wären
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