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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ihn, dass sein Kopf in den Nacken flog. Aber da war Ursula zwischen den beiden. Sie stieß Ines zurück, dann war Stille. Die Frauen starrten einander an. Da war ein Wimmern zu hören. Manfred sah mit rot verschmiertem Gesicht auf seine Schwester. Seine Nase hatte wieder zu bluten begonnen.
    «Komm, wir gehen», sagte Ursula. «Ich bringe dich in meine Wohnung.»

14. Kapitel
    Herr Schäfer hatte es nicht eilig, sein Versprechen einzulösen. Frau Meier, seine Sekretärin, führte im Vorzimmer das Regiment und kannte viele Interna der Firma besser als ihr Chef. Außerdem war sie die einzige Angestellte, die Kontakt zu seiner Frau hatte. Sie könnte ausplaudern, was ihr Mann mit diesem Fräulein Weinzierl trieb. Dieser altgedienten Kraft zu kündigen, kam nicht infrage. Als Maria auf eine Gehaltserhöhung bestand, erinnerte sich Herr Schäfer an seine Familie. «Es kann so mit uns nicht weitergehen», sagte er zu ihr. «Ich habe Frau und Kinder. Ich habe Pflichten.»
    Maria hörte, was er sagte, und verstand, was er meinte. Nach wie vor verlangte er, dass sie ihn während der Bürostunden mit «Herr Schäfer» anredete, und für ihr Rendezvous nach Dienstschluss nahm er sich von Mal zu Mal weniger Zeit. Maria spürte, dass er genug von ihr hatte, und hoffte, sie würde von sich aus kündigen. Aber den Gefallen würde sie ihm nicht tun. Freiwillig ging sie nicht, sie wollte ihre gut bezahlte Stellung behalten, auch ohne das kurze Vergnügen am Mittwochabend.
    Der Hauptlieferant der Großhandlung Schäfer in Birkenfeld war die Firma Schwann. Ihre Angebotspalette reichte von Aktenordnern und Vormerkkalendern bis zu Büroklammern und Farbbändern für Schreibmaschinen. Sie war führend in Sachen Bürobedarf. Schäfer hatte alle Schwann-Produkte auf Lager, sie waren das Rückgrat seines Geschäftes. Aber der Einzelhandel bestellte weniger, die Umsätze gingen zurück, die Buchhaltung errechnete für den laufenden Monat zum ersten Mal rote Zahlen. Schäfer konntees nicht länger aufschieben, er musste Schwann um eine Verlängerung des Zahlungsziels bitten. An Stelle von Frau Meier, die einen Brückentag für einen Kurzurlaub nutzte, schrieb Maria den Brief.
    Die Antwort ließ auf sich warten. Herr Schäfer hatte rote Flecken im Gesicht, die Angestellten gingen ihm aus dem Weg. Wutschnaubend stellte er fest, dass Maria eines Tages nicht zur Arbeit erschienen war, sie fehlte unentschuldigt. Als er sie am nächsten Morgen scharf tadeln wollte, zog sie ein Schreiben der Firma Schwann aus der Handtasche. «Im Vertrauen auf die uns von Frau Maria Weinzierl gegebene Zusage verlängern wir, Ihrem Wunsch entsprechend … zinsfrei.» – Herr Schäfer war überglücklich. Er vergaß sich für einen Augenblick und tat etwas ganz und gar Unordentliches: Er küsste Maria während der Geschäftszeit auf die Wange und fragte sie, ob sie in alter Freundschaft am Abend mit ihm auf den Erfolg anstoßen wolle. Nein, Maria wollte nicht.
    Die Gunst der Stunde nutzend, setzte Maria zwei Dinge durch: die Anrede «Frau Weinzierl» statt «mein liebes Kind» und den Kauf eines Lieferwagens. «Heute bestellt, morgen im Haus.» Die Zustellung im Stadtgebiet war kostenfrei. Das machte die Konkurrenz schon lange. Der Buchhalter lobte Maria mit einem «Gut gemacht!», und selbst Frau Meier nickte ihr freundlich zu, wenn sie ihr auf dem Flur begegnete. Als der Vertriebsleiter aus Altersgründen ausschied, bewarb sich Maria mit ihren gerade mal zwanzig Jahren für die frei werdende Stelle. Ihr nächstes Ziel war die Prokura. Wenn er sie halten wollte, würde Herr Schäfer sie ihr geben müssen.
    Bei der Firma Schwann konnte Maria bessere Rabattbedingungen durchsetzen: zwei Prozent, das war in diesen schwierigen Zeiten ein Erfolg. Für den gesamten Geschäftsverkehr mit dem wichtigsten Lieferanten war jetzt sie zuständig. Hatte Herr Schäfer von einem Artikel zu viel auf Lager genommen, machte sie von einem Rückgaberecht Gebrauch, das es vor ihrer Zeit nicht gegeben hatte. Die wöchentliche Abrechnung und den Scheck brachte siejeweils freitags persönlich zu dem dortigen Geschäftsführer, einem Sohn des Firmengründers. Er hieß Franz. Bei ihm verbrachte Maria ihre Wochenenden. Er war sportlich und unverheiratet.
    ***
    An Maria war alles fest: ihr Blick, ihr Händedruck, alle Partien ihres Körpers und auch ihr Wille. Nach der Affäre mit Herrn Schäfer stand für sie fest, dass sie sich nie mehr auf einen verheirateten Mann einlassen würde. In Franz

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