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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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erzählen, wie Odilie und ich in der Heiliggeistkirche geheiratet hatten. »Es war uns einerlei, ob uns ein Pfarrer fürs Leben verband oder nicht«, sagte ich. »Wir spürten beide, dass es recht war, was wir machten. Gott war mit dem, was wir taten, einverstanden. Es bedurfte nicht des Segens der Kirche.«
    Thérèse hatte mit leuchtenden Augen meinen Worten gelauscht. »Es ist so schön, was du erzählst«, flüsterte sie. »Und gleichzeitig so unendlich traurig.« Sie begann zu weinen.
    Wie alle Männer, die eine Frau weinen sehen, fühlte ich mich äußerst hilflos. Konnte ich Thérèse tröstend in die Arme nehmen? Oder würde sie meine Geste falsch verstehen? »Thérèse«, sagte ich, »bitte, du hast mich doch nicht verloren. Ich bin ein guter Freund und werde es immer bleiben. Das verspreche ich dir.«
    Doch es war, als hätte mein Trostversuch ihre Tränenschleusen erst recht geöffnet. Thérèse fing an zu schluchzen, ihre Schultern zuckten, ihr Atem ging stoßweise.
    »Bitte, Thérèse«, flehte ich, »weine doch nicht.« In meiner Not vergaß ich meine Vorsätze und nahm sie in die Arme. Langsam beruhigte sie sich. Irgendwann war sie still. Zufrieden wie ein Kätzchen lehnte sie an meiner Brust. Ich wiegte sie wie ein Kind, bis ich glaubte, ich könne sie wieder freigeben. Behutsam löste ich mich von ihr. »Geht es wieder?«, fragte ich.
    Thérèse schniefte. Dann stahl sich ein Lächeln auf ihr verweintes Gesicht. »Sag, Lukas, würdest du mir den Schlafbefehl geben?«
    »Den Schlafbefehl, wozu? Ich meine, wenn ich dich danach wecke, was würde dann sein?«
    »Dann würde ich mir ausmalen, was du mit mir gemacht haben könntest …«
     
    In der Folgezeit versuchte ich, Thérèse ein wenig auf Abstand zu halten, doch an einem Donnerstagmorgen überraschte sie mich im Männerkrankensaal des Hospitals. Rosanna hatte mich gebeten, mir einen alten Fuhrmann anzusehen, der unter heftigen Rückenschmerzen litt. Getreu der Lehre der Hildegard von Bingen, nach der die falschen Säfte den Nacken beugen und den Rücken krümmen, wollte ich gerade eine Schröpfkugel setzen, als hinter mir eine Stimme erklang: »Lukas, da bist du ja. Verzeih, wenn ich störe, aber ich habe eine Überraschung für dich.«
    Ich wandte mich um und blickte in Thérèses strahlendes Gesicht. Sie wirkte so fröhlich, dass ich ihr im ersten Moment nicht sagen mochte, dass sie störte. Doch das brauchte ich auch nicht. Dafür sorgte Rosanna. »Hört mal«, sagte sie streng, »ich kenne Euch nicht, aber selbst wenn Ihr die Frau des Königs wärt, müsstet Ihr warten, bis die Prozedur ausgeführt ist.«
    »Ja, äh, natürlich«, sagte Thérèse betreten. »Ich werde mich in Geduld fassen.«
    Sie wartete tatsächlich, bis die letzte Schröpfkugel gesetzt war, und als ich sie fragte, was es so Überraschendes zu berichten gebe, gewann sie ihr strahlendes Lächeln zurück und sagte: »Ich habe eine Einladung zum Maskenball auf dem Schloss. Wenn du willst, nehme ich dich mit.«
    Mein Herz tat einen Sprung. Monatelang hatte ich mir den Kopf nach einem unverdächtigen Grund für einen Schlossbesuch zermartert, und nun ergab sich eine so einfache Möglichkeit. »Wer lädt denn ein?«, fragte ich und versuchte, mir meine Erregung nicht anmerken zu lassen.
    »Junker Christoph, Odilies Mann. Es sollen viele Adlige kommen, aber auch Honoratioren aus Heidelberg, Mannheim und Worms. Kaspar von Edingen, seine Frau und mehrere Räte werden auch dabei sein. Stell dir nur vor, du und ich, eingeladen bei den edelsten Köpfen unserer Zeit!«
    Dass Junker Christoph, der Weiberfreund, zu den edelsten Köpfen unserer Zeit gehören sollte, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Aber die Aussicht, bei dem Maskenball meine Prinzessin zu treffen, entzückte mich zutiefst.
    »Lukas, du sagst ja gar nichts? Willst du etwa nicht mitkommen?«
    »Doch, doch«, versicherte ich hastig, »es kam nur etwas plötzlich.«
    »Ich dachte, wenn wir da hingingen, hättest du vielleicht Gelegenheit, Odilie wiederzusehen?«
    »Jaja, das könnte sein.« Langsam begann ich, mein Glück zu fassen.
    »Du musst zugeben, dass es sehr großzügig von mir ist, wenn ich dich mitnehme.« Thérèse grinste tapfer. »Denn eigentlich gehörst du mir.«
    Ich versuchte einen Scherz. »Ja, ich gehöre dir – als dein ältester Freund aus Siegershausen.«
    »Immer noch besser als nichts. Kommst du mit? Der Ball findet am kommenden Sonntag statt.«
    »Ja, ich komme gern mit.«
    »Dann ist es

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