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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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kleinen Mädchen gut. Ich habe es zu einer Bauersfrau gegeben, die selbst nicht gebären kann. Sie lebt mit ihrem Mann auf einem Hof in der Nähe von Ziegelhausen. Glaub mir, ich habe sehr darauf geachtet, dass für das Kind alles gut wird. Sogar Geld habe ich der Frau gegeben.«
    »Man kann nicht alles für Geld kaufen«, sagte ich, halb besänftigt. »Aber vielleicht ist die Lösung tatsächlich nicht so schlecht, denn das Mädchen wird mit Vater und Mutter aufwachsen.«
    »Ich bin froh, dass du es so siehst.« Thérèse stand auf und gab mir von der Gemüsepastete und der Eierspeise. Dazu schenkte sie mir Wein ein.
    »Hat es mit dem Wein etwas Ähnliches auf sich wie mit der Schildkröte?«, fragte ich.
    Thérèse lächelte. »Nein, der Wein ist eine Sünde.«
    »Nun gut, dann sündigen wir.«
    Wir tranken von dem Wein, und Thérèse sagte: »Seitdem ich dich im adligen Zimmer gesehen hatte, stand für mich fest, dass ich dich wiedersehen musste. Das Armbrustschießen in der Grabengasse war eine gute Gelegenheit dazu. Ich habe dafür gesorgt, dass Koutenbruer dir eine Einladung zukommen ließ.«
    »So also hängt das zusammen.« Plötzlich schmeckte mir der Wein schal. »Dann ist mein Sieg beim Schießen wohl auch nur eine Machenschaft?«
    »Großer Gott, nein!« Thérèse wollte wieder meine Hand ergreifen, aber ich hatte genug von der Hätschelei. »Lass das«, sagte ich.
    »Bitte, Lukas, es ist alles mit rechten Dingen zugegangen, das schwöre ich dir. Du warst der beste Schütze unter den Teilnehmern der Universität.«
    »Ich war der Blinde unter den Einäugigen.«
    »Sag so etwas nicht. Bitte …« Fast hätte Thérèse meine Hand wieder genommen. »Bitte, Lukas, wir haben uns so lange nicht gesehen und so vieles gemeinsam durchgestanden, da müssen wir uns jetzt nicht zanken. Außerdem« – sie errötete zart – »habe ich mich so sehr auf unser Wiedersehen gefreut. Eine junge, begüterte Frau und ein gestandener Medicus – wir könnten ein schönes Paar abgeben, findest du nicht?«
    Nein, das finde ich nicht, wollte ich antworten, unterließ es aber, denn trotz allem widerstrebte es mir, ihr weh zu tun. Stattdessen sagte ich: »Was hast du eigentlich mit Abeline und dem Fettkloß Steisser bei dem Raubritter Talacker erlebt? Dass er sich vor Wut wie ein Verrückter aufgeführt hat, als er erfuhr, dass du nicht Odilie bist, weiß ich bereits. Aber wie ging es dann weiter?«
    »Nanu, woher weißt du das denn?«
    »Erzähle erst du, danach komme ich.«
    »Du machst es spannend, Lukas.« Thérèse nippte an ihrem Wein. »Also gut. Talacker hätte uns am liebsten getötet, als er merkte, dass er getäuscht worden war. In seinen Augen stand die schiere Mordlust, das kannst du mir glauben. Aber zum Glück ist er ein berechnender Halunke. Er wusste genau, dass er für Tote kein Lösegeld erhalten würde. Deshalb ließ er uns am Leben. Nachdem er sich beruhigt hatte, ließ er Steisser zu sich kommen und eröffnete ihm, dass er für unsere Freilassung hundertzwanzigtausend Gulden verlange. Steisser, so hieß es, sei fast in Ohnmacht gefallen ob der gewaltigen Summe. Danach fing der Fettkloß sofort an zu feilschen, aber Talacker wich kein Jota von seiner Forderung ab.«
    »Hat er das Geld wirklich bekommen?«
    »Nein, am Ende erhielt er über Mittelsmänner hunderttausend Gulden, ein Betrag, von dem Steisser unter Tränen beteuerte, er würde ihn an den Bettelstab bringen. Zwei Monate dauerten die Verhandlungen insgesamt. In der Zeit hat Talacker uns nicht gut, aber auch nicht schlecht behandelt. Meine kindische Hoffnung, er würde mich wie ein Edelfräulein in seine Familie aufnehmen, erwies sich als trügerisch. Wenigstens mussten wir nicht hungern und frieren. Allerdings: Nachdem von Themar die Flucht gelungen war, ließ er uns scharf wie einen Goldschatz bewachen.« Thérèse grinste flüchtig. »In gewisser Weise waren wir das ja auch.«
    Ich schob den letzten Bissen der Eierspeise in den Mund und trank einen Schluck von dem Wein. »Ich erinnere mich, dass Steisser Zunftmeister in Würzburg war. Bist du mit Abeline und ihm dorthin gegangen? Ich meine, eigentlich solltest du doch nach Heilbronn, um eine alte Tante zu pflegen, die auf den Tod lag?«
    »Ja«, sagte Thérèse, »das stimmt. Und ich sollte dafür sorgen, dass die richtigen Worte in ihrem Testament stehen. Jedenfalls wollte mein Vater das so. Ich bin trotzdem nach Würzburg gegangen, und wie sich herausstellte, war das richtig.«
    »Hast du

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