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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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bedürfen, Euch auf dem Marktplatz vor dem Rathaus rädern und pfählen zu lassen. Ein Schauspiel, das Hunderte von Gaffern anlocken dürfte und an dem auch ich mich weiden werde. Und die Kirche wird ihren Segen dazu geben, weil Ihr eine noch lebende Mutter operiert habt.«
    »Ihr … Ihr …!« Mir fehlten die Worte ob solcher Bösartigkeit. Mit äußerster Anstrengung zwang ich mich, ruhig zu bleiben. »Und wenn ich mich weigere, die Operation durchzuführen?«
    »Wird Odilie, die Hure, auf dem Gebärstuhl sterben. Und Ihr werdet Euch für den Rest Eures Lebens im Kerker Vorwürfe machen, die Operation nicht versucht zu haben.«
    »Ihr seid wirklich ein Ungeheuer!«
    »Ich wünsche Euch viel Glück.« Das eine Auge des Weiberfreundes funkelte vor Hohn. »Und nun macht Euch davon, meine Wachen warten draußen schon auf Euch.«
    Ich drehte mich um und spürte den Blick meines Widersachers im Rücken. Es war der Blick des Bösen, der Blick des Leibhaftigen, davon war ich überzeugt. Kein Christenmensch konnte so schlecht sein wie er.
    Die Wachen brachten mich in den Flügel, wo die Gemächer der kurfürstlichen Familie lagen, und machten vor einer schweren Tür halt, in die sinnbildlich die Blume des Lebens geschnitzt war. Ein Symbol, von dem ich hoffte, es würde sich bewahrheiten. »Die Gebärstube, Herr«, sagte eine der Wachen.
    »Ich werde die Stube nicht betreten«, sagte ich fest.
    »Wie meint Ihr, Herr?« Der Mann zog fragend die Brauen zusammen.
    »Du hast gehört, was ich gesagt habe. In meinem Aufzug kann ich einer Prinzessin nicht unter die Augen treten. Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche. Ich muss mich waschen und meine Kleider säubern lassen.«
    »Dafür ist keine Zeit, Herr.«
    »Das hast du nicht zu bestimmen. Der Gemahl der Prinzessin hat befohlen, dass ich sie operiere. Ich werde es tun. Aber nur zu meinen Bedingungen. Und die habe ich dir eben genannt.«
    »Wie Ihr wollt, Herr, ich will keinen Ärger.« Der Wachsoldat zuckte mit den Schultern und winkte eine der herumstehenden Mägde heran. »Kümmere dich um den Medicus. Aber beeil dich.«
    Ich folgte der Magd und rief über die Schulter zurück: »Und schickt in der Zwischenzeit einen Boten zum Pfründnerhaus am Kornmarkt. Er soll dort mein Skalpell holen. Ohne mein eigenes Skalpell mache ich keinen einzigen Schnitt.«
    Eine halbe Stunde später betrat ich klopfenden Herzens den von mattem Kerzenschein erhellten Raum. Zwei ältere Frauen befanden sich darin, der Kleidung nach Wehmütter, dazu ein würdig dreinblickender Herr, dem ich mich mit einer Verbeugung vorstellte.
    »Nufer, Nufer …«, sagte er mit gesenkter Stimme, während er höflich über mein notdürftig hergerichtetes Äußeres hinwegsah. »Seid Ihr nicht der, der eine Schnittentbindung an einer lebenden Mutter im Bordell durchführte?«
    »Der bin ich«, antwortete ich.
    »Ein mutiger Eingriff. Jetzt ahne ich, warum Ihr hier seid. Nun, ich bin Doktor Egidius Klosterfelde, Leibarzt Seiner Königlichen Hoheit, des Kurfürsten Ludwig. Seiner Hoheit liegt das Leben seiner Schwester sehr am Herzen, wie ich Euch versichern darf, aber ich fürchte, alle ärztliche Kunst ist in diesem Fall vergebens. Das Kind will seit zwei Tagen nicht kommen.«
    Auf seinen Wink hin zog eine der Wehmütter einen schweren brokatenen Vorhang beiseite, hinter dem ein Gebärstuhl sichtbar wurde. Es war der prächtigste Gebärstuhl, den ich jemals gesehen hatte, umso erbarmungswürdiger wirkte die Gestalt, die darin saß – Odilie, meine Prinzessin, oder richtiger: das, was eine zweitägige Marter von ihr übrig gelassen hatte. Ein Bündel Mensch aus Schweiß und Schwäche, mit einem wächsernen, fassförmigen Bauch, der den Rest ihres Körpers zu erdrücken schien. Ob sie mich erkannte? Zaghaft hob ich meine Hand und ließ sie sogleich wieder sinken.
    »Es wird Nacht«, raunte Klosterfelde mir ins Ohr. »Es wird die dritte Nacht ihres Kampfes sein – und wohl ihre letzte.«
    Ich musste ihn entsetzt angestarrt haben, denn hastig fügte er hinzu: »Ich will Eurem Urteil selbstverständlich nicht vorgreifen, Herr Kollege. Aber was ärztliche Kunst versuchen konnte, wurde versucht. Darf ich fragen, ob es Kurfürst Ludwig war, der Euch hinzuziehen ließ?«
    »Nein, der Gemahl der Prinzessin schickt mich.«
    »Oh!«, entfuhr es ihm. Man sah, dass er nicht viel von dem Weiberfreund hielt.
    »Aber ich wäre auch so gekommen«, sagte ich. »Ich kenne die Prinzessin, äh, von früher.«
    »Aha, wenn dem so

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