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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ist.«
    Ich schaute Klosterfelde und die beiden Wehmütter an und sagte: »Ich möchte gern allein mit der Patientin sprechen.«
    »Aber bitte, selbstverständlich«, sagte Klosterfelde.
    Als die drei draußen waren, näherte ich mich behutsam dem Gebärstuhl. »Kannst du mich hören, meine Prinzessin?«, fragte ich leise, während ich nach ihrer schweißnassen Hand tastete.
    Odilie antwortete nicht.
    Schlummerte sie? Ich sprach weiter auf sie ein. Flüsternd und zärtlich, doch es schien vergebens zu sein. Nur ihre Wimpern flatterten dann und wann leicht. Was konnte ich tun? Ich wollte so gern mit ihr sprechen, wollte ihr sagen, dass ich da war, dass ich ihr helfen würde, dass alles gut werden würde. In meiner Not begann ich zu singen, leise, ganz leise. Es war eine einfache Melodie aus glücklicherer Zeit, und ich hoffte, sie würde sie erkennen:
    »Nun schürz dich, Gretlein, schürz dich,
    wohl auf mit mir davon,
    das Korn ist abgeschnitten,
    der Wein ist eingetan …«
    Und das Wunder geschah. Odilie öffnete langsam die Augen.
    »Siehst du mich, meine Liebste?«, krächzte ich. »Ich bin es, Lukas. Jetzt wird alles gut.«
    Odilie schlug die Augen nieder. Schlief sie wieder, oder war es ein Zeichen, dass sie mich verstanden hatte? »Odilie, kleine Prinzessin?«
    Ein winziges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Das war mir Antwort genug. Als ich es sah, hätte ich vor Glück jubeln mögen. Sie hatte mich erkannt! Sie wusste, dass ich bei ihr war! Wie im Traum redete ich weiter: »Ich werde dich untersuchen, meine Liebste, und dann werde ich unser Kind ans Licht der Welt holen. Du wirst sehen, alles wird gut. Alles wird gut, hörst du?«
    Ich richtete mich auf und wischte mir die Tränen ab. »Alles wird gut, hörst du«, sagte ich noch einmal und wandte mich zur Tür, denn es wurde Zeit, Klosterfelde und die Wehmütter wieder einzulassen.
    »Die Patientin ist jetzt zur Untersuchung bereit«, sagte ich, nachdem sie hereingekommen waren. »Ich möchte, dass die Fenster weit offen stehen und dass mehrere hell leuchtende Laternen herbeigeschafft werden.«
    »Bei allem Respekt, Herr Medicus, haltet Ihr das wirklich für nötig?«, fragte die eine Wehmutter. »Zugluft schadet doch nur.« Und die andere blies ins gleiche Horn: »Zum Abtasten des Leibes braucht man kein Licht und zum Abhören der Herztöne auch nicht.«
    Ehe ich etwas entgegnen konnte, sagte Klosterfelde: »Tut, was der Medicus sagt.«
    Ich war ihm dankbar dafür, doch ich wusste auch, dass der alte Arzt mir damit die Verantwortung für alles Weitere übertragen hatte. Ich nahm es ihm nicht übel. Dafür, dass ihm in mir ein Konkurrent erwachsen war, hatte er sich sehr kollegial verhalten.
    Als Nächstes befahl ich den Wehmüttern, die Spuren ihrer bisherigen Bemühungen zu beseitigen. Ich wollte kein blutiges Leinen sehen, kein schmutziges Wasser und auch keine benutzten Instrumente. »Ich will, dass alle chirurgischen Geräte makellos sauber sind«, sagte ich und übergab ihnen zusätzlich mein eigenes Skalpell, das lange nicht in Gebrauch gewesen war.
    Während ich das tat, fiel mir unwillkürlich Merle ein, die kleine, unglückliche Hure. Auch bei ihr hatte ich das Besteck reinigen lassen, und sie war trotzdem gestorben. Bei dem Gedanken daran wurde mir bang. Eine Zeitlang hatte ich geglaubt, das Erfolgsgeheimnis von Vaters geglückter Operation hätte in der Sauberkeit seiner chirurgischen Werkzeuge gelegen, doch dieser Glaube war offenkundig falsch. Was bedeutete das? Sollte ich deshalb mit schmutzigen Geräten arbeiten? Ich wischte die nutzlosen Überlegungen beiseite, sie halfen mir nicht weiter.
    Bald darauf waren genügend frisches Leinen, warmes Wasser und verschiedene Sorten Heilsalben geholt worden, und ich ließ die Laternen über den Raum verteilen. Als die Gebärstube in hellem Licht erstrahlte, erklärte ich den Wehmüttern, was ich bei Rosanna gelernt hatte: »Eine tüchtige Geburtshelferin soll alle ihre fünf Sinne gebrauchen, um den Zustand von Mutter und Kind zu erkennen: den Spalt soll sie riechen, den Harn soll sie schmecken, das Herz soll sie hören und darüber hinaus manches fühlen und tasten. Nun, habe ich einen der fünf Sinne vergessen?«
    »Den … Sehsinn«, antwortete eine der beiden zögernd.
    »Ihr sagt es. Den Leib soll sie sehen, so heißt es, und deshalb ließ ich Euch die Laternen holen.«
    Klosterfelde, der bis dahin schweigend dem Geschehen gefolgt war, meldete sich zu Wort: »Ihr scheint eine Menge

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