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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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heraus, einen winzigen Körper, ein zerknautschtes Gesicht, rot, faltig, von Fruchtschmiere bedeckt. »Ich brauche Hilfe«, rief ich.
    Klosterfelde und die Wehmütter waren zur Stelle, nahmen mir das Kindlein ab, durchtrennten die Nabelschnur und überprüften Eihülle und Mutterkuchen auf Vollständigkeit.
    Ich arbeitete weiter wie im Schlaf, ich zog den Faden auf und setzte die Stiche, nähte die Gebärmutterwand zu, schloss den Leib, legte den Verband an. Ich wollte etwas zu Odilie sagen, etwas Tröstendes, etwas Hoffnungsfrohes, doch ich kam nicht dazu. Ein lautes Plärren drang an mein Ohr. Ein Plärren voller Empörung. Kein Zweifel, Odilies Kind, mein Kind, protestierte gegen die grobe Behandlung.
    »Es ist ein Knabe«, sagte Doktor Klosterfelde. »Der Gemahl der Prinzessin wird hocherfreut sein.«
    »Ich möchte das Kind halten«, sagte ich.
    Man gab mir meinen Sohn in die Arme. Ich sah ihm ins Gesicht und suchte vergebens nach einer Ähnlichkeit mit Odilie oder mir. Ich wiegte ihn hin und her und zog seltsame Grimassen, um ihn zum Lachen zu bringen. Was meine Umgebung von mir dachte, war mir gleichgültig.
    Schweren Herzens gab ich den Kleinen zurück an eine der Wehmütter, damit sie ihn Odilie an die Brust lege, und spürte das heiße Verlangen, noch einmal mit meiner Prinzessin allein zu sein. Allein mit ihr und unserem Kind. Ich wollte sie küssen und streicheln und ihren geschundenen Leib liebkosen. Ich wollte ihr so viel sagen, und dazu musste ich Klosterfelde und die Wehmütter hinausschicken.
    »Herr Kollege«, sagte ich, »ich möchte noch einmal allein sein.«
    Doch nicht Klosterfelde war es, der mir antwortete, sondern einer der Wachsoldaten, die unterdessen hereingekommen waren. Er packte mich beim Arm und sagte: »Das werdet Ihr, ich versprech’s Euch.«
    Dann führten sie mich ab.
     
    Sie warfen mich in ein Verlies, das sich am Fuße eines Turms befand. Wieder umfing mich tiefe Finsternis. Doch ich lächelte. Alle meine Gedanken waren noch bei meiner Prinzessin, bei ihr, bei unserem Sohn, und das Glücksgefühl, das ich dabei empfand, überstrahlte das Elend, das mich umgab.
    Stunde um Stunde saß ich in einer Ecke des Kerkers und lächelte. Langsam legte sich der Sturm meiner Gefühle und machte Ernüchterung Platz. Ich bemerkte, dass mein neues Verlies nicht gänzlich dunkel war. Ein schwaches Licht, kaum mehr als ein Schimmer, ließ mich meine neue Umgebung wahrnehmen. Das Licht schien von oben zu kommen, von der Decke, die durch ein schweres, eisernes Gitter gesichert war. Ich glaubte, einen leichten Luftzug zu spüren. Irgendwo über mir, überlegte ich, musste ein Loch in der Turmmauer sein. Ein Fenster? Eine Schießscharte? Eine Öffnung, die in die Freiheit führte?
    Während ich mich das fragte, öffnete sich rasselnd die Tür. Licht fiel in mein düsteres Verlies. Der Kerkerknecht, den ich schon kannte, ließ mehrere Männer ein. Es waren die beiden Wachen, die mich aus der Gebärstube abgeführt hatten, und ein Schmied.
    Die Wachen drückten mich zu Boden, bis ich mit dem Rücken zur Wand saß, und rissen mir die Arme auseinander. Der Schmied legte mir eiserne Manschetten um die Handgelenke und verband sie über Ketten mit Ringen in der Wand.
    Ich schrie vor Schmerzen, denn die Manschetten glühten.
    Ich schrie und schrie, aber sie scherten sich nicht darum. Endlich gingen sie und ließen mich allein. Doch der Schmerz blieb. Er flutete in Wellen über die Arme in meinen Körper und raubte mir fast die Besinnung. Ich atmete schwer. Mein Herz raste. Großer Gott, nimm diesen Schmerz von mir! Ich will ihn nicht, diesen Schmerz. Ich hasse ihn, diesen Schmerz! Ich vergesse ihn einfach. Ich denke an Odilie, die viel größere Schmerzen aushalten musste. Odilie! Meine Prinzessin! Ich habe dir weh tun müssen, aber das Kind ist da. Es ist ein Knabe, ein gesunder Knabe, so viel ist gewiss, und ich habe gesehen, wie er dir an die Brust gelegt wurde. Es war das Letzte, was ich gesehen habe. Unser Kind an deiner Brust und ein Lächeln auf deinen Lippen. An dieses Lächeln will ich denken. Nur daran …
    So versuchte ich, den Schmerz zu besiegen, und endlich, gegen Abend, als das Licht im Raum wich, wich auch er.
    Ein neues Licht tat sich plötzlich auf. Der Kerkerknecht kam und befahl mir barsch, die Beine auseinanderzunehmen. Ich gehorchte, und er stellte einen Napf mit schleimiger, übelriechender Suppe dazwischen. Es war die Suppe, die ich schon kannte. Während er das tat, sagte ich zu

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