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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Schreiber beobachtet, wie sie sich schamlos einem Kerl an den Hals warf. Der Verdacht lag nahe, dass es sich um ebenjenen Kerl handelte, mit dem sie es zuvor getrieben hatte.«
    »Ihr seid sehr scharfsinnig.« Ich versuchte, meiner Stimme einen spöttischen Klang zu geben.
    »Nicht wahr?« Der Weiberfreund nickte selbstgefällig und sprach mit seiner Eunuchenstimme weiter: »Und ebenjenen Kerl schien Thérèse gut zu kennen. Vorsichtig fragte ich sie nach ihm aus, und siehe da, sie erzählte mir, er studiere an der Ruperto Carola Medizin.«
    »Hat sie meinen Namen genannt?«
    »Nein, so verschwiegen war sie immerhin. Aber töricht genug, von Eurem Aussehen zu schwärmen.«
    »Und wie ich aussehe, wusstet Ihr ja.«
    »Allerdings, schließlich waren wir uns zuvor schon einmal begegnet, an einem gewissen Ort, äh, der Freude. Euren Namen danach herauszufinden war ein Kinderspiel.«
    »Woraufhin Ihr nichts Besseres zu tun hattet, als irgendwelches nach Knoblauch stinkendes Gelichter auf mich zu hetzen, das mich im Neckar ertränken sollte.«
    »So ist es. Der Versuch schlug fehl, aber der Aufwand war gering. Ich wusste, dass eine zweite Gelegenheit kommen würde, Euch zu vernichten, und diese Gelegenheit ist jetzt da.« Der Weiberfreund kicherte und schob sich eine weitere Kirsche zwischen die schmalen Lippen. Ich nahm mir vor, ihm tatsächlich an die Gurgel zu springen, sollte er es wagen, den Kern noch einmal in meine Richtung zu spucken.
    »Ihr wart es, der die arme Merle in Muttchens Bordell geschwängert habt, stimmt’s?«, nahm ich die seltsame Unterhaltung wieder auf.
    »Und wenn schon, wo gehobelt wird, fallen Späne. Was kümmert’s Euch.« Der Weiberfreund wollte den Kern ausspucken, hielt aber mitten in der Bewegung inne und griff sich an die Augenklappe. Er tat so, als rücke er sie zurecht, aber ich erkannte den wahren Grund für die Bewegung: Er litt Schmerzen.
    Was ich daraufhin sagte, war niederträchtig, aber ich konnte es mir nicht verkneifen: »Man hört, das Geschwür sei unheilbar?«
    Der Weiberfreund winkte ab und spuckte den Kern zur Seite. Er hatte sich wieder in der Gewalt. »Es ist schmerzhaft, mehr nicht. Und gegen die Schmerzen habe ich meine Kirschen.«
    »Kirschen gegen Schmerzen?«
    »Man hat sie mit einer Dosis Laudanum gespritzt, nachdem sie kandiert wurden. Sie tun mir gut.« Er kicherte erneut und griff zur nächsten Frucht.
    »Wann werdet Ihr mich freilassen?«
    »Ihr werdet nie wieder frei sein. Ihr werdet Odilie, die Hure, operieren. Sie ist hochschwanger und kann nicht gebären.«
    »Was sagt Ihr da?«
    »Der Bastard dürfte von Euch sein. Da passt es gut, wenn Ihr sie aufschneidet.«
    Ich war wie vom Donner gerührt. Ich wusste, dass meine kleine Prinzessin schwanger war, ich hatte es in der
Sonne
gehört. Aber ich hatte nicht zurückgerechnet. War die Zeit wirklich so schnell vergangen? Es musste auf der Gais-Insel passiert sein, in jenen paradiesischen Tagen, die neun Monate zurücklagen. Neun Monate, Zeit genug, damit ein Menschlein heranwachsen konnte. Odilies Kind. Mein Kind. Doch was hatte der Weiberfreund gesagt? Odilie könne nicht gebären? »Warum kann sie nicht niederkommen? Liegt das Kind falsch? Wie lange quält sie sich schon?«, rief ich. »Großer Gott, so redet doch!«
    »Was weiß ich. Ludwigs Arzt hat sie untersucht.«
    »Ich muss sofort zu ihr!«
    »Ihr sollt sogar zu ihr. Ich sagte es bereits!« Der Weiberfreund kicherte in einem fort.
    Mir kam ein Gedanke. »Wenn ich Odilie und das Kind rette, werdet Ihr dann beide freigeben?«
    Das Kichern endete abrupt. »Wenn Ihr die Hure rettet, wird sie leben – so lange, bis es mir gelungen ist, sie vergiften zu lassen. Das kann etwas dauern, weil sie schlau ist und Ludwig seine Hand über sie hält, aber früher oder später wird es geschehen. Und es wird so aussehen, dass nicht der Hauch eines Verdachts auf mich fällt. Das wird meine Rache dafür sein, dass sie mich zum Hahnrei gemacht hat.«
    »Ihr seid … ein Ungeheuer!«
    Ungerührt redete der Weiberfreund weiter: »Wenn die Hure Euren Eingriff überlebt, werdet Ihr wieder in den Kerker geworfen. Dort werdet Ihr schmachten, bis Ihr verhungert, verdurstet oder von den Ratten zerfressen seid. Sollte sie jedoch sterben, habt Ihr als Arzt versagt. Dann seid Ihr schuld am Tode einer Prinzessin, schuld am Tode einer Tochter Philipps des Aufrichtigen, schuld am Tode der Schwester Ludwigs, des gegenwärtigen Kurfürsten. Und es wird keiner großen Anstrengungen

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