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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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den protzigen, eisernen Ritterstiefeln. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Aber du gehörst zu der Bewegung, auch wenn man es dir nicht ansieht?«, fragte ich weiter.
    »Wer sagt denn, dass man’s mir nicht ansieht?« Gertrud verzog ihre tausend Gesichtsfältchen zu einem Grinsen. »Pass mal auf.« Sie lüftete ihre viel zu langen Hosenbeine, und darunter wurde ein Paar feiner, kleiner Bundschuhe sichtbar. »Da staunst du, was?«
    »In der Tat, du hast mich überrascht«, sagte ich.
    »Und Obergsell, der Wirt, gehört der auch zu den Bundschuh-Leuten?«, fragte Thérèse neugierig. »Der hat vorhin doch so eine merkwürdige Bemerkung über Lukas gemacht.«
    »Ja, Obergsell ist auch einer von uns, dazu ein paar andere auf meinem Weg. Manchmal gebe ich Nachrichten unter ihnen weiter, weil Joss Fritz mich darum bittet. Eine alte Frau auf einem Kutschbock als Übermittlerin von Geheimnissen – da kommt so schnell keiner drauf. Aber das erzähl ich euch nur, weil wir uns spätestens in Heilbronn oder Würzburg trennen. Nicht dass ich misstrauisch wär bei euch, aber man kann nie wissen. Jeder macht über kurz oder lang das Maul auf, wenn sein Blut unter den Daumenschrauben spritzt.«
    »Großer Gott!« Thérèse drückte Schnapp erschreckt an sich. »So wie du möchte ich nicht leben.«
    »Du bist ja auch nicht siebenundsechzig.« Gertrud knallte mit der Peitsche. »Und nun wollen wir Joss Fritz und seine Mannen vergessen. In zwei oder drei Stunden sind wir in Freiburg. Hüaaa!«
     
    Der Rote Bär
ist ein altes Gasthaus, zwischen dem Schwabentor und dem Münster Unserer Lieben Frau gelegen, eine Herberge, in der man als Reisender gute Unterkunft findet. Für unser leibliches Wohl sorgte Hanman, der Wirt, höchstpersönlich, weil er Gertrud seit vielen Jahren kannte. Er bot uns in Brühe gegarte Maultaschen an, wobei er mir augenzwinkernd versicherte, die Maultaschen seien nur erfunden worden, damit man das darin verborgene Fleisch nicht sehen könne. So sei es möglich, auch während der Fastenzeit dem Fleischgenuss zu frönen – selbst unter dem gestrengen Auge der Kirche. Auf meinen fragenden Blick hin versicherte er rasch: »Meine Maultaschen, Hochwürden, sind selbstverständlich mit Gemüse gefüllt.«
    »Danke, Wirt«, antwortete ich. »Du verstehst es, gottgefällig aufzutischen. Ich hoffe nur, die Menge wird auch noch für den Zunftmeister Steisser und seine Gattin reichen?«
    »Gewiss, gewiss!«, versicherte Hanman. »Wenn der hochzuverehrende Herr sich damit zufriedengibt?«
    »Das wird er«, sagte ich und schickte einen Blick hinüber zu Gertrud und Thérèse, die sich das Lachen kaum verkneifen konnten.
    Nachdem wir gegessen hatten, suchten wir unsere Kammern auf. Thérèse und Gertrud mussten sich einen Raum teilen, weil am selben Tag ein Baumeister und mehrere Steinmetze in die Stadt gekommen waren, die ebenfalls im
Roten Bären
wohnten. Der Baumeister sollte den Zustand des Münsters untersuchen und berechnen, wie viel Zeit und Geld es kosten würde, die prächtige Kirche endgültig fertigzustellen.
    Da Gertrud wie alle alten Menschen einen sehr leichten Schlaf hatte, unterließ Thérèse es, sich nachts aus dem Raum zu schleichen und mich in der Kutsche zu besuchen. Ich glaube, sie bedauerte das, und mir erging es ebenso.
    Nachdem wir am anderen Morgen für Übernachtung und Kost bezahlt hatten, fuhren wir weiter. Gertrud wählte eine fast nördliche Richtung, immer auf breiten, vielbefahrenen Wegen, den Rhein zur Linken und die Hügel und Berge des Schwarzwaldes zur Rechten. Wir brauchten zwei Tage bis Lahr, wo wir gastliche Aufnahme im
Schutterhof
fanden, einem Wirtshaus, das nach dem Flüsschen Schutter benannt ist. Man reichte uns knuspriges Brot mit herrlicher Butter und Tannenhonig, dazu Rahmkäse und frisch gefangene Forellen. So lecker das Mahl auch war, bei dieser Gelegenheit bedauerte ich es zum ersten Mal, das Geheimnis um meine Verkleidung als Mönch nicht vor Steisser und seiner Frau gelüftet zu haben. Zu gern hätte ich von den Schwarzwälder Köstlichkeiten wie Blut- und Leberwürsten, Bauchspeck und dem über Fichtenholz geräucherten Schinken gekostet. Aber als bravem Gottesmann war mir solche Speise in der Fastenzeit natürlich verwehrt.
    Während der Fahrt von Lahr nach Offenburg ging es Gertrud abermals schlecht. Auf meinen Scherz, sie habe wohl zu sehr der deftigen Schwarzwälder Kost zugesprochen, ging sie nicht ein. Sie saß vielmehr gekrümmt neben Thérèse und mir auf dem

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