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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ist passiert?«
    Sie antwortete nicht. Sie konnte nicht antworten. Sie wimmerte in einem fort, ihre Füße begannen zu zucken. Sie steckten in den Bundschuhen, die sie mir vor wenigen Tagen gezeigt hatte. Ich zog ihre langen Beinkleider darüber, denn ihre Zugehörigkeit zu dem Bauernbund ging niemanden etwas an. Dann wandte ich mich an die Gaffer. »Haltet keine Maulaffen feil!«, rief ich. »Sie braucht einen Arzt. Am besten einen Medicus. Holt einen herbei, rasch!«
    Eine der Mägde lief fort, um meinen Befehl auszuführen, während ich nach einer Schüssel mit Wasser verlangte. Die Schüssel wurde gebracht, dazu ein paar saubere Lappen. Thérèse kühlte sie im Wasser, wrang sie aus und gab sie mir, damit ich sie auf Gertruds Stirn legen konnte. Leider waren meine Bemühungen umsonst, Getrud zeigte kein Zeichen der Besserung. Im Gegenteil, sie hechelte immer schneller, ihr Atem ging pfeifend, aus ihren Mundwinkeln rann gelblicher Speichel. Ich befürchtete schon das Schlimmste, als sie sich unversehens ein wenig entspannte. Die Schmerzen schienen wellenförmig über sie herzufallen, mal ärger, mal weniger arg. Vielleicht hatte sie auch Krämpfe, die kamen und gingen. Ich wusste es nicht, ich verfluchte mich für meine Unwissenheit. Ich hatte vier lange Jahre damit verbracht, die Lehren des Aristoteles, des Speusippos, des Sokrates, des Isokrates und des Platon zu verstehen, hatte mich mit Logik, Dialektik, Rhetorik, Poetik, Arithmetik, Astronomie und sonstigen Künsten beschäftigt und war trotz alledem nicht in der Lage, die Schmerzen einer alten Frau zu lindern. Geschweige denn die Frage zu beantworten, woran sie litt.
    »Wo ist die Kranke, Hochwürden?« Ein hagerer Mann mit bleichem Gesicht und Spitzbart hatte die Kammer betreten.
    »Hier.« Ich deutete auf Gertrud, die noch immer in gekrümmter Haltung am Boden lag. »Seid Ihr der Medicus?«
    »Ich bin der Bader. Einen Medicus werdet Ihr in Offenburg nicht finden.« Der Mann stellte seinen Instrumentenkoffer auf dem Boden ab und ging in die Hocke, um Gertrud besser betrachten zu können. »Äußerlich kann ich nichts erkennen. Legt sie aufs Bett.«
    Ich folgte seiner Anweisung so vorsichtig, wie ich konnte.
    »Könnt Ihr Euch ausstrecken, Mütterchen?«, fragte der Bader.
    Gertrud murmelte etwas und entspannte sich ein wenig.
    »Wo sitzt der Schmerz?«
    Da Gertrud keine Anstalten machte, zu antworten, schilderte ich ihr Befinden, so gut ich konnte, und fügte hinzu: »Das Übel muss wohl im Unterleib stecken.«
    »So sieht es aus.« Der Bader beugte sich über die Kranke und sagte: »Haucht mich mal an, Mütterchen.«
    Gertrud versuchte es.
    »Hm, hm. In der Atemluft liegt der Geruch von Harn. Das deutet auf eine Harnvergiftung hin. Ich vermute, Mütterchen, Ihr habt seit längerem Schwierigkeiten beim Wasserlassen?«
    Gertrud nickte schwach.
    »Dann quält Euch wohl der Stein. Er kann in der Niere sitzen oder in der Blase. Vielleicht auch in beidem. Wenn Ihr ein Mann wärt, könnte ich Euch katheterisieren und Euren Damm auftrennen, weil ich auch in der Durchführung des Steinschnitts erfahren bin, aber bei einer Frau hat unsere allein selig machende Kirche etwas dagegen, nicht wahr, Hochwürden?« Er schaute mich missbilligend an, und ich blickte zur Seite. »Was wollt Ihr tun?«, fragte ich.
    »Ich habe hier ein Gefäß mit etwas Laudanum. Davon soll das Mütterchen einen halben Löffel nehmen. Jetzt gleich. Das wird die Muskeln entspannen. Vielleicht klappt es dann auch mit dem Wasserlassen. Außerdem rate ich, der alten Frau so viel Flüssigkeit wie möglich zu geben. Sie muss trinken, sehr viel trinken, vielleicht wird dadurch der Stein herausgeschwemmt. Betet zu Gott, Hochwürden, dass es so kommt, sonst …«
    Er ließ den Satz unvollendet und wandte sich zum Gehen. »Mein Honorar beträgt fünfzehn Pfennige. Zehn für das Laudanum, fünf für meine Dienste. Wenn Ihr gleich zahlt, komme ich morgen noch einmal und sehe nach der Kranken.«
    Ich kramte in meiner Kutte nach der Geldkatze und zahlte – mit gemischten Gefühlen. Einerseits bedeutete die Summe für mich viel Geld, andererseits hatte Gertrud mir bisher nicht einen Pfennig Fahrtkosten berechnet. Es war also nur gerecht, dass ich den Bader bezahlte.
    Als er gegangen war, setzte ich mich zu Gertrud auf die Bettkante und hieß Thérèse, auf der anderen Seite dasselbe zu tun. Ich richtete es so ein, dass unsere sechs Hände über Gertruds Brust aufeinanderlagen, und sprach ein Bittgebet, in

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