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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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immer ein vorsichtiger Mann gewesen, sonst würde er nicht mehr leben.«
    »Das weiß Gott!« Der Wirt lachte selbstzufrieden und entblößte ein paar schiefe Zähne zwischen seinem Bartgestrüpp. »Und weil ich vorsichtig bin, hab ich mir die Zeche von dem Geldsack und seiner Alten im Voraus bezahlen lassen. Da kommen sie gerade.«
    Den Umstand, dass Steisser und seine Frau in diesem Augenblick die Gaststube betraten und nach einem Frühstück verlangten, nahmen wir zum Anlass, diese zu verlassen. »Es genügt schon«, meinte Gertrud, »wenn ich die Herrschaften den ganzen Tag in meiner Kutsche ertragen muss.«
    Eine Stunde später waren wir wieder unterwegs.
     
    Wir fuhren Stunde um Stunde und machten nur gelegentlich halt, wenn einer von uns sich die Beine vertreten wollte. Am Vormittag war der Himmel noch voller Wolken gewesen, doch gegen Mittag kam die Sonne hervor und schickte ihre wärmenden Strahlen zur Erde herab. Gertrud und ich hatten uns bis dahin in dicke Decken gehüllt, denn auf dem Kutschbock war es kühl und windig zugegangen. Einen Vorgeschmack von dem, was noch kommen sollte, hatte ich auf diese Weise erhalten.
    Nach einer kurzen Rast auf freiem Feld – wir hatten Brot und eine Portion Ziegenkäse als Wegzehrung von Obergsell mitbekommen – zogen die Rösser wieder an. Auf dem Kutschbock waren wir mittlerweile zu dritt: Thérèse war es zwischen dem dicken Steisser und seiner Frau zu eng geworden. Sie saß neben mir, hielt Schnapp auf dem Arm und genoss den schönen Tag. Für einen kurzen Moment war ich versucht, sie zu fragen, ob sie den kleinen Hund nicht mit nach Heilbronn nehmen wolle, aber dann überlegte ich es mir anders. Schnapp war mir inzwischen so ans Herz gewachsen, dass ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen mochte. Mein Blick glitt an Thérèse und Schnapp vorbei zu Gertrud, die in der ihr eigenen kauernden Haltung dasaß, die Zügel fest in der Hand, den Weg vor uns aufmerksam beobachtend.
    Wir sind schon ein seltsames Trio, dachte ich und musste schmunzeln. Eine steinalte Frau, die in Männerkleidern durch die Lande fährt, ein Magister Artium, der kein Franziskaner ist, aber eine Franziskanerkutte trägt, und ein Bauernmädchen, das gern ein Adelsfräulein wäre, aber den barmherzigen Samariter bei einer alten Tante spielen soll. Vor diesem Hintergrund waren der Fettwanst Steisser und seine Frau fast als normal zu bezeichnen.
    »Was grinst du?«, fragte Thérèse.
    »Ach, ich musste nur daran denken, welch schöner Tag heute ist«, sagte ich leichthin.
    »Schön nenne ich was anderes«, krächzte Gertrud. Ihr gichtiger Finger deutete nach vorn. »Seht euch das an. Die Kerle haben mir grad noch gefehlt.«
    Ich blickte in die angegebene Richtung und bemerkte fünf oder sechs Gestalten, die mitten auf dem Weg standen. Sie sahen verwegen aus, trugen Barette mit hohen Federn, dick wattierte Wämser, hautenge Beinkleider und dazu Schwerter und lange Hellebarden. »Will freiwillig in der Hölle schmoren, wenn das nicht Joss Fritz mit seinen Leuten vom Bundschuh ist«, flüsterte Gertrud. »Verhaltet euch ruhig und überlasst alles andere mir.«
    »Halt!« Ein hünenhafter Mann, offenbar der Anführer, hob die Hand. »Wer seid ihr und wo wollt ihr hin?«
    Gertrud brachte die Rösser zum Stehen und beugte sich vor. Dann sagte sie betont langsam:
»Gott grüß dich, Gesell. Was ist dir für ein Wesen?«
    Der Hüne runzelte die Stirn, bevor er die Erkennungsworte vorschriftsmäßig ergänzte:
»Wir mögen von den Pfaffen und Adel nit genesen.«
Dann trat er einen Schritt vor. »Bist du es, Gertrud?«
    »Hattest du den Kaiser von Cathai erwartet?«, erwiderte Gertrud. »Deine Augen waren auch schon mal besser, Joss.«
    Joss Fritz, der Anführer der Bundschuh-Bewegung, ließ sich nicht beirren. Er wies mit dem Zeigefinger auf mich. »Und was hat der da bei dir zu suchen? Ich dachte immer, du bist eine von uns?«
    »Bin ich auch. Aber mit einer leeren Kutsche verdiene ich kein Geld. Mein Wort drauf, der Pfaffe ist harmlos. Ein Schaf im Wolfspelz.« Gertrud lachte über ihren eigenen Witz, aber ihr Lachen klang falsch. Sie hatte Angst. Und damit erging es ihr genauso wie mir und Thérèse.
    »Gelobt sei Jesus Christus«, sagte ich mit nicht ganz fester Stimme.
    »Von mir aus«, antwortete Joss Fritz. »Höre, Gertrud, legst du für das Pfäfflein die Hand ins Feuer?«
    Ich hielt den Atem an. Was würde Gertrud antworten?
    »Wenn du willst, gleich beide. So glaub mir doch, er ist

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