Der Medicus von Saragossa
opferte, um dann mehrere von Jonas Steinen zu schlagen. Nach einer Weile konnte Jona eine Falle bereits erkennen und sie vermeiden.
»Ah, Ihr lernt schnell«, sagte der Mönch. »Ihr werdet in kürzester Zeit ein würdiger Gegner sein, das sehe ich jetzt schon.« Was Jona sehen konnte, war, daß das Spiel eine beständige Überwachung des Bretts erforderte, um die Absichten des Gegners erkennen und die eigenen Möglichkeiten abschätzen zu können. Er merkte sich, was Bonestruca tat, um ihn in Fallen zu locken. Am Ende des fünften Spiels beherrschte er bereits einige der möglichen Verteidigungszüge.
»Ah, Señor, Ihr seid so schlau wie ein Fuchs oder ein General«, sagte Bonestruca, doch dank seines geschliffenen Verstands hatte er Jona in allen Spielen sehr schnell besiegt.
»Ich muß jetzt gehen«, sagte Jona widerstrebend. »Dann müßt Ihr wiederkommen und noch einmal mit mir spielen. Morgen nachmittag oder übermorgen?«
»Ich fürchte, meine Nachmittage sind mit Patienten ausgefüllt.«
»Ich verstehe, ein vielbeschäftigter Arzt. Und wenn wir uns am Mittwoch abend hier wiedertreffen? Kommt, so früh Ihr könnt, ich werde hiersein.«
Warum nicht? fragte sich Jona. »Gut, ich komme«, sagte er. Er war begierig darauf zu verstehen, wie Bonestrucas Verstand arbeitete, und das ließ sich am Damespiel gut ablesen.
Am Mittwoch abend kehrte er in die finca am Fluß zurück. Er saß mit Bonestruca im Arbeitszimmer, trank den guten Wein, knackte Mandeln und aß von den angebotenen Speisen, während sie aufs Spielbrett starrten und ihre Züge machten.
Jona studierte das Brett und das Gesicht seines Gegners, um zu erkennen, wie der Mönch dachte, doch Bonestrucas Züge verrieten ihm nichts.
Mit jeder Runde, die sie spielten, lernte er ein bißchen mehr über das Damespiel und ein klein wenig auch über Bonestruca. An diesem Abend spielten sie fünf Spiele, wie auch schon beim ersten Mal.
»Die Spiele dauern jetzt schon viel länger«, bemerkte Bonestruca. Als er vorschlug, sich am Mittwoch der folgenden Woche wiederzutreffen, sagte Jona so bereitwillig zu, daß der Mönch lächelte.
»Ah, ich sehe, das Spiel hat Eure Seele gepackt.«
»Nein, nur meinen Verstand, Fray Bonestruca.«
»Dann nehme ich mir bei unseren nächsten Spielen Eure Seele vor«, sagte Bonestruca.
Jona brauchte noch zwei Dame-Abende, bis er das erste Spiel gewann, und dann gewann er wieder einige Wochen nicht mehr. Aber danach gewann er häufiger, und je besser er Bonestrucas Strategie durchschaute, desto härter umkämpft waren und desto länger dauerten die Spiele.
Er hatte den Eindruck, daß Bonestruca so Dame spielte, wie er das Leben spielte, indem er täuschte, sich verstellte und seinen Gegner foppte. Der Mönch begrüßte ihn immer mit einer entwaffnenden, sonnigen Freundlichkeit, aber Jona konnte sich in seiner Gegenwart nie so recht entspannen; zu deutlich war ihm bewußt, daß knapp unter dieser Oberfläche etwas Dunkles lauerte.
»Ganz so erstklassig scheint Euer Verstand doch nicht zu sein, Arzt«, sagte Bonestruca verächtlich nach einem leichten Sieg. Und doch bestand er nach jedem Spieleabend darauf, daß Jona sehr bald wieder mit ihm spiele.
Jona bemühte sich, ihm ebenbürtig zu werden. Er vermutete, daß Bonestruca ein Maulheld war, der durch die Angst seines Gegenübers noch mächtiger wurde, aber Schwäche zeigte, wenn der andere sich nicht einschüchtern ließ.
»Ich bin erst kurze Zeit in Saragossa, und doch habe ich schon einen Juden entlarvt«, sagte der Mönch eines Mittwoch abends und übersprang einen von Jonas Soldaten.
»Oh?« entgegnete Jona beiläufig. Er machte einen Zug, um den Angriff abzuwehren.
»Ja, einen rückfälligen Juden, der vorgibt, ein Alter Christ zu sein.«
Hatte Bonestruca ihn durchschaut? Würde der Mönch ihn jetzt vernichten? Jona hielt den Blick aufs Brett gerichtet. Er schob einen Soldaten auf ein Feld, wo Bonestruca ihn übersprang, und übersprang dann zwei von Bonestrucas Steinen. »Eure Seele freut es, einen Juden zu fangen. Ich höre das an Eurer Stimme«, sagte er und wunderte sich dabei über die Gelassenheit in seiner eigenen Stimme.
»Denkt darüber nach. Steht nicht geschrieben, daß, wer Wind sät, Sturm ernten wird?«
Zum Teufel mit ihm, dachte Jona, hob den Blick vom Brett und sah dem Mönch in die Augen. »Steht aber nicht auch geschrieben, daß selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen?«
Bonestruca lächelte. Offensichtlich
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